Angst vor der iranischen Atombombe
Von Stefan Galoppi
Die große Militäranlage Parchin, 30 Kilometer von Teheran entfernt, dient eigentlich der Entwicklung von Raketen. Jetzt schürt sie aber Israels Angst, das Mullah-Regime könnte schon bald über Atomwaffen verfügen.
Die Haaretz berichtete am Sonntag, in der Anlage mit Hunderten Gebäuden und unterirdischen Bunkern seien Experimente durchgeführt worden, die als abschließende Vorbereitungen für den Bau von Atomwaffen zu werten seien. So habe es Testexplosionen und Computersimulationen von Explosionen gegeben. Die Zeitung beruft sich auf Informationen, die sich im neuesten Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde finden sollen. Die IAEO will das brisante Dokument diese Woche veröffentlichen, aber es sickerten schon Details durch.
Es soll zwar weiter keine "unwiderlegbaren Beweise" für ein Atomwaffenprogramm geben, aber eine große Zahl von Hinweisen. So sollen Irans Techniker über ein Computermodell eines Atomsprengkopfs verfügen. Auf einer Satellitenaufnahme des Militärlagers Parchin, das von IAEO-Inspektoren nie betreten werden durfte, sei ein Stahlkörper in der Größe eines Busses zu erkennen, in dem hochexplosive Sprengstoffe - etwa zur Zündung einer Atombombe - getestet werden könnten.
Die IAEO hat in ihrem Bericht Geheimdienstinformationen aus den USA, Großbritannien, Frankreich und Israel verarbeitet und mit eigenen Erhebungen abgeglichen. IAEO-Generaldirektor Yukiya Amano hat den Iran-Bericht noch nicht freigegeben.
Angriff beschlossen?
Israel hat stets klar gemacht, dass es Nuklearwaffen in den Händen des Erzfeindes nie dulden wird. Jetzt erreicht die Debatte über einen möglichen Militärschlag einen Höhepunkt: Seit gut einer Woche spekulieren die Medien darüber, ob Premier Benjamin Netanyahu und Verteidigungsminister Ehud Barak den Angriff nicht schon längst beschlossen haben. Beim Besuch von US-Verteidigungsminister Leon Panetta vor einem Monat sollen sie sich jedenfalls strikt geweigert haben, einen Angriff ohne Absprache mit Washington auszuschließen.
Am Mittwoch sorgte ein Raketentest in Israel für Aufsehen. Die Jericho-3 kann mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden und Ziele im Iran erreichen. Zugleich wurde bekannt, dass Israels Luftwaffe über Sizilien Langstreckeneinsätze trainiert hat. Zudem führte die Armee eine große Schutzübung aus. Annahme: massive Raketenangriffe auf den Großraum Tel Aviv.
Ende des Jahres fallen zwei Hindernisse für einen Überraschungsangriff weg: In Israel wird eine verbesserte Version des Raketenabwehrsystems "Chez 2" verfügbar sein. Und im Irak werden die letzten US-Soldaten abgezogen sein, die Ziel für Vergeltungsangriffe sein könnten. Präsident Shimon Peres warnte am Wochenende, es werde vielleicht nur noch ein halbes Jahr dauern, bis der Iran über Atomwaffen verfügt - nun sei die Zeit zu handeln. Er forderte harte Sanktionen - oder eben einen Militärschlag.