Das Grätzel als erweitertes Wohnzimmer
„Wir beschäftigen uns seit 2010 intensiv mit Grätzeln“, sagt Martin Müller, Geschäftsführer von JP Immobilien. Petra Menasse-Eibensteiner hat etliche Jahre für die von JP Immobilien herausgegebenen Grätzel-Berichte die Stadt durchwandert und verborgene Plätze aufgespürt. Nun ist ihr Buch herauskommen, das sieben Grätzel-Spaziergänge umfasst, einerseits Wanderführer, andererseits Lesebuch. Im hinteren Teil des Buches gibt es Postkarten von einigen gezeigten Plätzen und Geschäften zum Heraustrennen.
Zu Beginn jedes Kapitels hilft ein Plan mit eingezeichneter Tour bei der Orientierung. „Die reine Gehzeit beträgt meist rund zwei Stunden, ohne sich etwas anzusehen“, sagt die Autorin. „Mit Stehenbleiben ist es ein Tagesausflug.“ So führt etwa eine Route vom Westbahnhof zum Türkenschanzplatz, eine andere ist ein Rundgang vom Schwarzenbergplatz, die Wiedner Hauptstraße entlang bis zur Blechturmgasse im 5. Bezirk und über die Argentinierstraße retour.
„Das Grätzel“, schreibt Menasse-Eibensteiner, „dieses kleine Stück Heimat inmitten der großen anonymen Stadt, steht für ein ganz besonderes Lebensgefühl.“
Was bedeutet das für die Immobilienbranche? „Immobilien in einem guten Grätzel sind wertvoller als in einem neu geplanten Stadtteil“, betont Martin Müller. Individualismus sei gefragt: ein kleines Café, besondere Geschäfte statt Filialen, Handwerksbetriebe und Plätze, die als Treffpunkt dienen. „Wir wollen mit unseren Grätzeltouren auch dabei helfen, den Bezirks-Snobismus ein bisschen aufzubrechen“, sagt Müller. Warum sollte jemand aus Hietzing nicht auch einmal in Wien-Leopoldstadt wohnen?
Dass sich auch neue Projekte gut in ein Grätzel einfügen oder es sogar beleben, liegt in der Hand der Immobilienentwickler. „Das gelingt, wenn man niederschwellige Veranstaltungsräume schafft und Geschäftslokale für Start-ups um wenig Geld zur Miete anbietet“, sagt Daniel Jelitzka, Geschäftsführer von JP Immobilien. Das Unternehmen versucht nicht nur Grätzel zu vernetzen, sondern auch Bewohner. Heuer wurde die App „puck“vorgestellt, die als Schaltstelle zwischen Mietern, Eigentümern und Hausverwaltung fungiert und Bewohner vernetzt.