Operation am offenen Herzen
Von Michael Bachner
„Ein schöner Tag zu Hause: draußen trommelt der Dauerregen, im Haus Aufarbeiten von Aufgeschobenem – Dauertelefonate und Hemden bügeln.“ Selbst auf den ersten Blick unpolitisch-harmlose Nachrichten von Gesundheitsminister Rudolf Anschober wie diese, verfasst am Montag via Twitter, sorgen sofort für hitzige Debatten im Netz.
Ist es die stets ruhige und besonnene Art Anschobers, der auch Fehler eingestehen kann, die seine Fangemeinde entzückt, so ist es der zu bedächtige und teils chaotische Umgang mit der Corona-Krise, der seine Kritiker in Rage bringt.
Nun geht der frühere Landesrat der Grünen aus Oberösterreich also den versprochenen Umbau seines Ministeriums an. Wurde auch Zeit, werden manche sagen, denn die fragwürdige Hinterlassenschaft seiner Vor-Vorgängerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) wirkt bis heute nach.
Doch in Zeiten einer Gesundheits- und Wirtschaftskrise ist der Umbau eines so zentralen Ministeriums ein mutiges bis riskantes Unterfangen, erweckt es doch aktuell den Anschein einer Operation am offenen Herzen.
Ein wenig polemisch könnte man sagen: Hoffentlich wartet Anschober nicht wieder auf Dauerregen und bügelt dann nebenbei seine Hemden. Denn, sollte im Herbst tatsächlich eine zweite Infektionswelle ausbrechen, kommt sein Ministeriumsumbau wirklich zur Unzeit.
Vielleicht wäre es effizienter, zunächst auf die vorhandene Expertise innerhalb des riesigen Regierungsapparates zurückzugreifen, anstatt die ausgepowerten Kräfte in seinem Haus mit einer Strukturreform auf Trab zu halten. Statt einer Gesamtreform wäre wohl auch die Nachbesetzung der beiden seit Monaten vakanten Leitungsposten im Ministerium leichter zu bewerkstelligen – bevor ganze Sektionen umgebaut werden.
Das Ziel aller Bemühungen muss sein, die Schlagkraft zu erhöhen und das legistische Know-how im Gesundheitsministerium zu stärken. Bisher wurde bei den Verordnungen zu wenig auf den Rat externer Juristen gehört. Die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsdienst im Kanzleramt soll jetzt forciert werden. All das hätte Anschober angehen können, statt eine Pressekonferenz nach der anderen zu geben und sehenden Auges auf den Paukenschlag durch den Verfassungsgerichtshof zu warten.
Trotz allem wäre es unfair, bei Corona nur auf Anschober zu zeigen. Der Bildungsminister hat dreieinhalb Wochen vor Schulbeginn noch kein wirkliches Konzept, der Finanzminister bis jetzt kein echtes Budget vorgelegt. Und im Arbeitsministerium müssen Ferialpraktikanten über die liegen gebliebenen Anträge nach dem Familienhärtefonds entscheiden, wie einem AMS-Inserat zu entnehmen war. Wir lernen: Anschober ist nicht allein. Ein wirklicher Krisenmanager über alle Bereiche fehlt bei Türkis-Grün.