Meinung/Mein Tag

Wer hat Angst vor der Gartenkatze mit dem umgeknickten Ohr?

Ich habe eine Katze geerbt. Wobei: rein formell hat die Katze niemandem gehört. Aber sie wohnt seit Jahren im Garten meines Vaters. Und nachdem der Vater nicht mehr ist, die Katze sich aber bester Gesundheit und großen Hungers erfreut, habe ich nun einen Garten mit Katze. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich liebe Katzen. Immer schon. Ich finde Katzen weder falsch, noch berechnend, sondern einfach nur flauschig und

lieb und schmusig. Und genau da beginnt

das Problem mit der Gartenkatze. Die ist nämlich – nennen wir es einmal so – eigen.

Als im vergangenen Sommer der befreundete Bauer nach der Heu-Ernte auf ein Bier vorbeischaute, gesellte sich die Gartenkatze dazu, ließ sich artig kraulen, bis sie beschloss, den Bauern zu beißen. Nix mit Probebiss. Die Katze, die offenbar keine Anleihen beim weißen Hai nahm, der erst das Opfer identifiziert, biss so fest zu, dass der Bauer eine Blutvergiftung und einen Gips bekam. Und nachdem der Bauer nicht nur Bauer, sondern auch Jäger ist, sah man die Stunden der Katze gezählt. Die Katze lebt immer noch, der Bauer trank heuer das After-Ernte-Bier im Garten des Nachbarn.

Die Gartenkatze und ich arbeiten also weiter an unserem Zusammenleben. Ich verlagere die Futterschüssel von vor dem hinter das Haus. Die Gartenkatze folgt mir nun wie ein Hund, in der Hoffnung, ich könnte ja jedes Mal eine neue Futterstelle aufsuchen. Aus figurtechnischen Gründen gibt es jetzt statt Garten mit Halbpension nur noch Garten mit Frühstück. Der Katze, die durch ein umgeknicktes Ohr noch dazu furchteinflößend aussieht, ist das egal, sie nutzt jede Minute, die ich auf der Gartenbank sitze, zum Kuscheln. Und manchmal, wenn wir dasitzen und ich sie – vorsichtig! – streichle, frage ich mich, wer da eigentlich wen geerbt hat.