Meinung/Mein Tag

Stellen Sie sich vor, da stimmt doch etwas nicht

Stellen Sie sich vor, Sie wandern in Ihrer Jugend in ein anderes Land aus, studieren dort, arbeiten, zahlen Steuern, gründen eine Familie und verbringen ein Leben mit allen Höhen und Tiefen, die es eben so gibt. Reisen in die alte Heimat gehören dazu, Sie sehen aber keine Notwendigkeit, eine neue Staatsbürgerschaft anzunehmen.

Stellen Sie sich vor, Sie sind mittlerweile ein rüstiger Pensionist über 70, nicht mehr ganz fit, aber noch jung im Geiste und reisen zum Todestag Ihrer Mutter in Ihr Geburtsland. Plötzlich bricht die Pandemie aus und nichts geht mehr. Sie verlieren vier Angehörige an das unsägliche Virus und wagen sich angesichts Ihres Alters und Ihrer Herzprobleme kaum noch aus dem Haus. Irgendwann fassen Sie den Mut, endlich in Ihre Wahlheimat zurückzufliegen, doch Sie werden positiv auf Covid getestet – zum Glück symptomlos – und dürfen nicht reisen.

Stellen Sie sich vor, Sie können zwei Wochen später nach einem negativen Test endlich los, kommen nach Umwegen erschöpft an... und werden an der Grenze abgewiesen. Das Visum, das seit mehr als 50 Jahren aufrecht ist, ist abgelaufen. Weil Sie sich elf Tage zu lange im Ausland aufgehalten haben. Ohne auch nur ein Glas Wasser zu bekommen oder Ihre Familie benachrichtigen zu können, werden Sie mit demselben Flieger wieder zurückgeschickt.

Dieser Mensch ist mein Vater und ich würde sagen, er wurde wie ein krimineller Asylwerber rausgeschmissen, wenn das angesichts der aktuellen Ereignisse nicht zynisch wäre. Genauso zynisch ist, dass er seine Aufenthaltsbewilligung jetzt von Null weg neu beantragen muss – vom Nachweis, dass er eine HTL in Österreich abgeschlossen hat bis zur Pensionsbestätigung. Und es geht nicht nur ihm so, sondern etlichen anderen „Ausländern“, die ihr Leben lang hier gearbeitet haben, während der Pandemie länger in der alten Heimat festgesteckt sind oder krank waren und jetzt nicht mehr einreisen dürfen.

Da stimmt doch etwas nicht.

laila.docekal@kurier.at

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