Ein Pickerl für Jahrhundertwendehäuser
Von Julia Schrenk
Es war einmal ein schönes Haus. Es hatte zwei Stockwerke, Ornamente über den Fenstern im oberen Stock und einen Vorgarten. So einen, der mit vielen Rosenstöcken und einer kleinen weißen Metallbank ganz entzückend aussehen konnte. Aber aus dem Garten wird nichts mehr. Und aus dem Haus auch nicht, das ist jetzt offiziell. Seit zwei Wochen wird es Stein für Stein abgetragen, erzählt ein Nachbar dem KURIER. Vom Dach fehlt schon ein gutes Stück (siehe kleines Foto).
Es wird nur wenige Wochen dauern, dann wird von dem Jahrhundertwendehaus in der Rohrbacher Straße 29 in Hietzing gar nichts mehr übrig sein.
Die große Überraschung ist das freilich nicht. Wie ausführlich berichtet, steht das Jahrhundertwendehaus seit mindestens 30 und vielleicht sogar seit 50 Jahren leer. Seitdem hat niemand mehr nennenswerte Renovierungsarbeiten daran verrichtet.
Es ist so verfallen, dass es laut Baupolizei vor allem wegen der enormen Wasserschäden Probleme mit der Statik gab. Dass es nun abgetragen wird, ist rechtens. Die Baupolizei hat einen entsprechenden Abrissbescheid erlassen. Bitter ist allerdings, dass dieser positive Bescheid – wie so viele bei so alten Häusern – aufgrund der sogenannten wirtschaftlichen Abbruchreife erstellt wurde: Das Haus war so desolat, dass eine Renovierung teurer gekommen wäre als der Abriss samt dem Neubau.
Um Differenzen in Millionenhöhe geht es dabei oft nicht, im konkreten Fall waren es 105.000 Euro.
Die Stadt Wien will solche Häuser eigentlich erhalten, aber die derzeit geltende Bauordnung gibt das nicht her. An der Novelle wird gearbeitet: Künftig sollen Hausbesitzer in regelmäßigen Abständen – ähnlich wie beim Pickerl fürs Auto – nachweisen müssen, dass sie ihre Häuser nicht verfallen lassen.
Im Herbst soll die Novelle präsentiert werden. Bis dahin wird das Jahrhundertwendehaus in der Rohrbacher Straße 29 nicht das einzige bleiben, das abgerissen wurde.