Arbeit ist wichtig für die Menschenwürde
Von Martina Salomon
Gegen Job-Krise und steigende Sozialausgaben helfen populistische Rezepte nicht.
über Arbeit und Würde
In diesem Sommer (!) zählen wir fast 400.000 gemeldete Arbeitslose. Wie immer in Krisen hat die Koalition nicht ein Rezept, sondern zwei – natürlich diametral entgegengesetzte. Der Finanzminister tippt darauf, dass es für etliche Arbeitslose aufgrund des großzügigen Sozialsystems nicht besonders attraktiv ist, einen Job anzunehmen. Dafür spricht die erlebte Erfahrung fast aller Gewerbetreibenden, die sich via AMS um die Nachbesetzung freier Stellen bemühen. Die Privatangestelltengewerkschaft konterte mit der nicht besonders realistischen Forderung nach 1700 Euro Mindestlohn – deutlich über jenem der Deutschen.
Einen guten Vorschlag machte AMS-Chef Johannes Kopf: Wer einen Niedriglohn-Job annimmt, sollte zumindest vorübergehend einen Teil der Mindestsicherung behalten dürfen – als Anreiz, um wieder arbeiten zu gehen. Denn wenn ein arbeitsloser Mann mit nicht-berufstätiger Ehefrau und drei minderjährigen Kindern im Monat 1800 Euro vom Staat bekommt, dann wird es für einen schlecht Qualifizierten fast unmöglich, dieses Netto-Einkommen mit einem regulären Job zu übertreffen. Dasselbe gilt für eine Alleinerzieherin.
Zu geringe Wertschöpfung
Unangenehmerweise verschwinden ja gleichzeitig die Jobs für schlecht Ausgebildete: aufgrund von Digitalisierung, Rationalisierung und zu hohen Lohnnebenkosten. Ein Durchschnittsverdiener kostet eine Firma doppelt so viel, wie er netto ausbezahlt bekommt. Manche Anstellung rechnet sich da einfach nicht. Ein Arbeitgeber wird diese Arbeit dann entweder selbst übernehmen oder auf die restlichen Köpfe verteilen. In einem Hochlohnland arbeiten immer weniger immer mehr.
Ein Mindestlohn von 1700 Euro würde noch weitere Arbeitsplätze vernichten. Genau das Gegenteil ist nötig. Wobei die Mittel, um wieder (annähernd) Vollbeschäftigung zu erreichen, leider alle teuer sind: Bildung ist der Schlüssel. Und wenn der Staat, was wahrscheinlich vernünftig ist, noch mehr geschützte Werkstätten und staatlich gestützte gemeinnützige Tätigkeiten fördert, dann gibt’s auch das nicht zum Nulltarif.
Die schlechte Nachricht ist: Unseren großzügig ausgestatteten Wohlfahrtsstaat werden wir wohl so nicht mehr lange finanzieren können. Da muss es Abstriche geben. Ebbt der Zuwandererstrom nicht ab, brauchen wir harte und rechtlich knifflige Gesetze: von Asyl-Befristung bis zum (vorübergehenden) Stopp des Familiennachzugs für die am Arbeitsmarkt nicht Integrierbaren. Ansonsten explodieren Arbeitslosenzahlen und Sozialausgaben.
Die gute Nachricht ist: Österreich zählt noch immer zu den reichsten Staaten der Welt, wir haben in vielen Bereichen tolles Potenzial, nicht nur Sparpotenzial.
Arbeit ist für die Menschenwürde wichtig – das geht über Erwerbsarbeit natürlich hinaus. Wer verzweifelt einen Job sucht, weiß das. Nur manche scheinen das mittlerweile vergessen haben. Die Politik muss es ihnen deutlich sagen, auch wenn es dafür keinen Applaus gibt.