Meinung/Kommentare/Salomonisch

Sag mir, wer deine Freunde sind – und ich sage dir, wer du bist

Nur mit einem kantigeren Profil hofft er, politisch zu überleben.

Dr. Martina Salomon
über den Kanzler

Wien wäre so wie früher der ideale Boden für den jüngsten Ukraine-Gipfel gewesen. War es aber nicht. Hat das vielleicht mit der außenpolitischen Linie unseres Bundeskanzlers zu tun, der in letzter Zeit ein paar, äh, originelle Akzente gesetzt hat?

Wahrscheinlich ist der Vorwurf ungerecht: Denn einerseits sollte man Faymanns Widerhall im Ausland nicht wahnsinnig überschätzen. Andererseits hat im Mai bereits ein Ukraine-Gipfel in Wien stattgefunden. Außenminister Kurz durfte sich das damals an die Brust heften. Ein Schelm, wer denkt, die SPÖ wolle das Feld der Außenpolitik nicht mehr dem erfolgreichen ÖVP-Jüngling allein überlassen.

Ob Faymann aber tatsächlich auf die richtigen Verbündeten setzt, ist fraglich. Für den griechischen Regierungschef Tsipras (dessen Land Österreich immerhin 7,5 Milliarden Euro schuldet) zeigt er so große Sympathien, dass der Linkspopulist den Kanzler einen "guten Freund" nennen darf.

Prorussische Signale

Auch die Sanktionen gegen Wladimir Putins Russland kritisiert Faymann, ohne freilich bei EU-Gipfeln dagegenzustimmen. Über den Sinn von Sanktionen kann man natürlich, je nach Interessenslage, unterschiedlicher Meinung sein: Viele heimische Unternehmen würde ein Wirtschaftskrieg tatsächlich einiges kosten.

Innenpolitisch punktet Faymann jedenfalls damit: Die Stimmung vieler Österreicher ist merkwürdig prorussisch und jedenfalls Anti-EU. Wenn schon nicht im OGM-Vertrauensindex, dann wenigstens im Krone-Sympathie-Barometer gestiegen ist Faymann auch mit seiner verbalen Anti-TTIP-Haltung. Statt öffentlich zu plaudern, wäre es aber besser gewesen, die problematischen Punkte des Freihandelsabkommens mit der kürzlich in Wien weilenden EU-Handelskommissarin anzusprechen. Faymann traf sie nicht.

Man könnte ihm mit gutem Willen sogar Mut attestieren: Er legt sich mit ganz Großen an – den Deutschen und Briten. Angela Merkel, der Frau, der momentan fast alle applaudieren, warf er im KURIER-Gespräch vor, bei der Arbeitslosigkeit in Europa zu zögerlich zu sein. Was in heimischen Medien großen Widerhall fand, wurde in den deutschen nicht einmal ignoriert, aber wohl etwas irritiert registriert.

Österreich schwächelt

Wir sind außerdem kaum in der Position, dem erfolgreichsten Land Europas Ratschläge zu erteilen: Deutschland hat stärkeres Wachstum, Budgetüberschuss (!) und nun auch bessere Arbeitslosenzahlen als wir.

Österreich spielt außerdem tollkühn (Öko-)David gegen Goliath mit einer Klage beim Europäischen Gerichtshof gegen Großbritannien. Die Briten wollen ihr geplantes Atomkraftwerk Hinkley Point C subventionieren und haben dafür eine EU-Genehmigung. "Kanzler knöpft sich Cameron vor", titeln manche Blätter. Klingt daheim machtvoll, wird uns aber "draußen" Probleme bescheren. London hat schon mit Retorsionsmaßnahmen gedroht.

Auch beim Abdullah-Zentrum dürfte Faymann die momentane innerösterreichische Stimmungslage wichtiger gewesen sein als die internationale. Darüber ärgerte sich sogar der Bundespräsident.

Aber der Kanzler steht mit dem Rücken zur Wand: Nur mit einem kantigeren Profil hofft er, politisch zu überleben. Es steht daher zu befürchten, dass da noch einiges nachkommt.