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Aufarbeitung sollte keine Kunst sein

Der Eklat im Leopold Museum rückt Österreichs Umgang mit der Vergangenheit wieder ins Blickfeld.

Georg Leyrer
über Raubkunst

Eine Forderung wie ein Paukenschlag: Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) hat sich am Dienstag für die Auflösung des Leopold Museums ausgesprochen. Bei keinem anderen österreichischen Museum würde der Rücktritt eines Direktors eine derart vehemente Reaktion nach sich ziehen.

Doch die IKG-Forderung ist wohl mehr als ein über das Ziel hinausschießendes Ergebnis eines aus dem Ruder gelaufenen internen Streits: Sie ist das Erbe des jahrelangen Ringens zwischen Kultusgemeinde und Leopold Museum in Raubkunstfragen. Über viele Jahre wurden Lösungen für belastete Bilder in der Stiftung Leopold aufgeschoben, wurden Erben der durch Nazis enteigneten, vertriebenen, ermordeten jüdischen Sammler Wiens hintangestellt. Zuletzt aber gab es deutliche Bewegung im Museum, für prominente Fälle wie Egon Schieles „Häuser am Meer“ wurden Lösungen gefunden. Der Bestand des Museums wurde unabhängig erforscht, offene Fragen wurden geklärt.

Mit dem zögerlichen Zugang zu Raubkunstfragen war die Leopold Privatstiftung wahrlich nicht allein. In zwei prominenten Fällen in Bundesmuseen – Klimts „Beethovenfries“ und dem Porträt „Amalie Zuckerkandl“, beides im Belvederebestand – gab es erst jüngst neue Rückforderungsbestrebungen. Die juristischen Fragen entziehen sich einer schnellen Beurteilung. Dass es aber bald 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges überhaupt noch offene Raubkunstfragen gibt, dass Erben immer noch auf Entscheidungen warten, ist so bleibendes wie bedrückendes Zeugnis dafür, wie spät sich Österreich seiner Vergangenheit gestellt hat – und wie weit es in der Bewältigung immer noch hinterherhinkt.