Meinung/Kommentare/Innenpolitik

Wahlärzte sind weder Problem noch Lösung

Das Wahlarzt-System kaschiert die Lücken unseres ausnehmend trägen Kassen- und Gesundheitssystems.

Dr. Christian Böhmer
über die Innovationen in der medizinischen Versorgung

Was musste sich Erwin Spindelberger nicht alles anhören. Er plädiere für eine medizinische Versorgung Marke DDR, ätzte die FPÖ; er sei "beängstigend ahnungslos", tadelten Ärztekämmerer; und selbst von Genossen bekam der SPÖ-Parlamentarier für seinen im KURIER gemachten Vorschlag ordentlich "Beton", wie man in Spindelbergers Heimat sagen würde.

Ungeachtet der Tatsache, dass viele den Vorschlag des Sozialdemokraten offenbar vorsätzlich falsch verstanden haben (laut Spindelberger sollten Wahlarzt-Honorare von der Kasse nicht refundiert und stattdessen Geld für die kassenärztliche Versorgung ausgegeben werden), muss eines festgehalten werden: Das Wahlarzt-System ist zwar kein Problem – es ist aber auch keine Lösung.

Wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass Patienten fast selbstverständlich sehr viel Geld für Wahlarzt-Besuche ausgeben, obwohl sie ohnehin Hunderte Euro im Monat an die Sozialversicherung zahlen?

Und woran liegt es, dass junge Mediziner bereitwillig auf Kassenverträge verzichten und ihr Glück als städtische Wahlärzte versuchen, anstatt sich auf eine Kassenstelle im Waldviertel oder oststeirischen Oberland zu bewerben?

Ganz offensichtlich kaschieren die Wahlarzt-Ordinationen erhebliche Versorgungs- und Planungslücken eines unleidlich trägen Kassen- und Gesundheitssystems. Eines Systems, in dem beispielsweise das Gespräch mit Patienten finanziell immer noch weniger zählt als die Verschreibung eines Medikaments.

Über derlei gilt es zu reden – dringend. Und wenn Erwin Spindelbergers kontroversieller Vorschlag geholfen hat, genau diese Debatte in Gang zu bekommen, dann kann das den Patienten letztlich nur recht sein.