Politiker, hört endlich euren Wählern zu!
Es ist immer wieder interessant zu sehen, wie Bürger auf Politiker zugehen.
über den Tag der offenen Tür
Es ist immer wieder interessant zu sehen, wie Bürger auf Politiker zugehen – und wie Politiker mit ihren Wählern umgehen. Der Tag der offenen Tür am Freitag beim KURIER bot wieder zahlreiche Gelegenheiten für derartige Beobachtungen. Die Anwesenheit von mehr als tausend Lesern lässt sich gerade im Wahlkampf kein vernünftiger Politiker entgehen.
Wir leben ja wirklich in einem sicheren Land. Wer den deutschen Finanzminister Schäuble im Rollstuhl sieht, wird immer wieder an das Attentat vom Oktober 1990 erinnert, als der wichtigste Minister Helmut Kohls bei einer Veranstaltung angeschossen wurde. In Deutschland gehören gepanzerte Autos und Leibwächter schon lange zur Grundausstattung von Regierungsmitgliedern und sogar manchen Beamten. Österreichische Spitzenpolitiker gehen ungefährdet durch Menschenmengen, keine Rede von der Aggressivität, die in manchen Internet-Foren zu spüren ist.
„Gesudert“ wurde am Tag der offenen Tür überhaupt nicht. Die Fragen an die Politiker waren nicht von Vorwürfen oder Beschuldigungen gezeichnet, sondern eher von einer Ratlosigkeit, fast Resignation, warum in unserem Land so viel geredet wird und so wenig weiter geht. Beispiel Verwaltung: die unterschiedlichen Gesetze und Verordnungen in Bund und Ländern, wo etwa die vielen Bauordnungen auch noch viel Geld kosten.
Dafür hat sich auch hier gezeigt, dass die Zeiten, in denen man mit schlichten Sprüchen über Ausländer Emotionen auslösen konnte, vorbei sind. Staatssekretär Sebastian Kurz konnte auch im KURIER-Zelt eine sachliche Debatte führen.Und niemand wollte mit Frank Stronach über die Todesstrafe diskutieren. Das Volk ist gescheiter, als manche Politiker glauben. „Schwarmintelligenz“ kann man nicht nur im Internet nutzen.
Schluss mit gegenseitigen Schuldzuweisungen
Die größte Sorge von Jung und Alt ist der Stillstand im Bildungssystem. Das haben die Politiker hoffentlich mitgenommen. Unerträglich empfinden alle auch die gegenseitigen Schuldzuweisungen der Parteien. Der Wiener Stadtrat Christian Oxonitsch sieht die Finanzministerin im Verzug, wenn bei den Schulbauten alles zu langsam geht. Aber was können die Schüler dafür, wenn die Politiker streiten? Und warum argumentieren die noch immer mit Begriffen der 1960er-Jahre – Gesamtschule ja oder nein – anstatt gemeinsam ein modernes Schulwesen zu schaffen, mit Flexibilität und Förderungen? Wenn der Lehrer und KURIER-Autor Niki Glattauer Claudia Schmied als „Konjunktiv-Ministerin“ bezeichnet, dann reagiert die auch noch beleidigt. Das verstehen die Bürgerinnen und Bürger alles nicht, die dann als Wähler so ratlos sind,weil keine Partei ernsthaft versprechen kann, dass unsere einzige Zukunftshoffnung – die Kinder – künftig besser ausgebildet werden.
Das Resümee der vielen Diskussionen ist einfach: Die Politiker sollten auch im Wahlkampf mehr zuhören als reden. Wir hätten alle was davon.