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Bei Rot-Schwarz führt nackte Angst Regie

Bei Rot-Schwarz führt nackte Angst Regie

Josef Votzi
über die Verhandlungen

Wie machen das die Deutschen? Am Verhandlungstisch saßen bis zu 75 Vertreter von drei Parteien; zwischen der CSU-Forderung nach einer Ausländer-Maut und dem SPD-Verlangen nach einem Mindestlohn lagen Welten. Achteinhalb Wochen nach der Wahl war die Koalition dennoch unterschriftsreif.

Hierzulande konnten sich Rot und Schwarz bisher nur für ein paar Tage darauf einigen, wie groß das Loch künftig in der Staatskassa ist. Je länger weiterhin um den Sparbedarf gestritten wird, desto offensichtlicher wird: ÖVP-Chef Michel Spindelegger sitzt noch der Gram im Nacken, dass ihn der erfolgreiche Einzug der Neos ins Hohe Haus Platz 1 gekostet haben dürfte. Er fürchtet, demnächst in Wien noch mehr Stimmen an die Newcomer in Pink zu verlieren, wenn es der ÖVP nicht gelingt, ein herzeigbares Reformpaket in den Koalitionspakt zu packen.

SPÖ-Chef Werner Faymann fürchtet, dass ein schmerzhaftes Sparpaket noch mehr Stammwähler vergrämt und die Blauen bei der EU-Wahl 2014 endgültig auf Platz 1 landen. Die SPÖ würde danach seinen Kurs gegenüber den Blauen neuerlich und noch schärfer infrage stellen – eine rote Zerreißprobe wäre programmiert.

Nach der Wahl ist vor der Wahl: In Österreich wird seit siebeneinhalb Wochen zuvorderst nicht ein Koalitionspakt verhandelt, sondern die Startaufstellung für die nächsten Wahlgänge – inklusive ungebrochen schriller Wahlkampf-Tonlage. SPÖ und ÖVP werden für ein gemeinsames Regierungsprogramm nicht nur länger brauchen als CDU und SPD. Der Koalitionspakt droht auch mehr süße Wahlversprechen als saure Reformprojekte zu enthalten – aus nackter Angst vor dem steinernen Gast am Verhandlungstisch in Pink und Blau.