Meinung/Kommentare/Innenpolitik

Eine echte Alternative für Deutschland

Schulz setzt Merkel unter Druck – das ist gut so, denn Inhalte werden so wieder wichtig.

Mag. Evelyn Peternel
über den deutschen Wahlkampf

Nur ein Prozentpunkt trennt die beiden, doch das ist mehr als genug: Dass es SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz erstmals seit Jahren geschafft hat, die CDU in Umfragen auf Platz zwei zu verweisen, bringt die deutsche Politik in Wallung. Der einstige Europapolitiker ist seit Langem der Erste, der es mit Angela Merkel aufnehmen kann; "Gottkanzler" nennen sie ihn darum in der SPD – nicht nur augenzwinkernd.

Freilich, ob der Hype bis zum Herbst anhält, ist fraglich. Auch bei Peer Steinbrück war 2013 die Euphorie groß; Merkel schaffte dennoch 41,5 Prozent. Diesmal ist die Lage aber anders. Seit der Flüchtlingskrise ist die Politik im Umbruch – die AfD treibt mit schrillen Tönen alle anderen vor sich her; Inhalte, die nichts mit Islamismus und Flüchtlingen zu tun haben, haben wenig Platz.

Dass Schulz mit den als fad geltenden Themen Gerechtigkeit und Lohngleichheit derart fulminanten Zuspruch erntet, ist darum ein Denkanstoß. Seine ehrlich wirkende Konzentration auf Themen, die den Wähler existenziell beschäftigen, dürfte mit ein Grund für seinen Erfolg sein – und sie stürzt Merkel in ein Dilemma: Sie muss sich nun der ewig aufgeschobenen Frage der Orientierung ihrer Partei stellen. Richtet sie sich im Wahlkampf an jene urbanen, liberalen Wähler, die sie seit ihrem Schwenk 2015 hinzugewonnen hat – und die ihr Schulz nun wieder abzujagen droht? Oder rückt sie mit Seehofer nach rechts?

Ganz egal, wohin sie geht – ihr und dem Wahlkampf tut Wirbelwind Schulz mehr als gut. Weg von der Schlafwagen-Politik, die Merkel lang als alternativlos erscheinen ließ, weg von den dumpfen Gefühligkeiten der AfD, die den Diskurs zuletzt zu vergiften drohten, hin zu einem Wahlkampf mit kalkulierbaren Inhalten. Das wäre eine echte Alternative für Deutschland.