Meinung/Kommentare/Innenpolitik

Boulevard & Schmäh tun der Demokratie weh

Boulevard & Schmäh tun der Demokratie weh

Dr. Helmut Brandstätter
über Michael Häupl

Selten hat ein Spruch so lässig-locker gewirkt und gleichzeitig so viel Unheil angerichtet, wie Michael Häupls Lehrer-Spott: "Wenn ich 22 Stunden die Woche arbeite, bin ich Dienstagmittag fertig und kann heimgehen." Und selten noch hat ein Satz so klar gemacht, wie schmal der Grat zwischen einer klaren Botschaft, wie sie Medien verlangen und Politiker gerne produzieren, und einer kommunikativen Sackgasse sein kann. Dass Lehrer jetzt aufgebracht und, soweit sozialdemokratisch, nicht am 1. Mai über den Rathausplatz marschieren wollen, wird in Vergessenheit geraten.

Aber wie können in unserer individualistischen, aufgesplitterten und komplexen Gesellschaft notwendige Reformen umgesetzt werden? Wie es sicher nicht geht, haben wir gerade erlebt: Indem man einzelne Gruppen herausnimmt und dem Boulevard zum Fraß vorwirft. Das führt zu Verhärtungen der Standpunkte, Aufbau von Gegendruck und erschwert jede Verhandlung.

Dabei hätte Bürgermeister Häupl, dessen analytische Fähigkeiten bisher zu Recht gelobt wurden, aus einer früheren Erfahrung lernen können. Vor den letzten Wiener Wahlen, im Oktober 2010, warf er der Kronen Zeitung den Brocken "Berufsheer" hin und stürzte damit seine Partei in eine Sinnkrise. Das Volksheer gehörte seit dem Bürgerkrieg des Jahres 1934 zur DNA der SPÖ, aber irgendwie folgte die Partei dem mächtigen Mann aus Wien. Dass eine völlig überdrehte Krone-Kampagne letztlich scheiterte, musste dann der folgsame Verteidigungsminister Norbert Darabos ausbaden.

Diesmal ist es anders, diesmal wäre Michael Häupl selbst Opfer des Boulevard, vor allem dann, wenn die aktuelle Kampagne in ihrer Maßlosigkeit weitergeht.

Denker statt Popsch-Grapscher gesucht

Der Populismus von Politikern und Zeitungen will uns ständig einreden, dass es auf komplizierte Themenstellungen einfache Antworten gibt. Aber viele Entscheidungen von heute wirken sich erst in Jahren aus, umgekehrt zahlen wir für Versäumnisse von heute später umso teurer. Dafür braucht es einen öffentlichen Diskurs jenseits von 140 Twitter-Zeichen und ohne schmähenden Schmäh. Auch Lehrergewerkschafter haben verstanden, dass unsere Gesellschaft ganztägige Schulen braucht – zu Recht verlangen sie entsprechende Arbeitsplätze. Und dass unsere Verwaltung einfacher und so manche Beamte flexibler werden müssen, ist auch eine Binsenweisheit. Aber die Bereitschaft dazu wird mit lauter werdenden Schlagzeilen eher kleiner werden.

Aber auch der sogenannte öffentlich-rechtliche ORF lädt lieber Popo-Sprücheklopfer und käufliche Verleger zu Diskussionen ein. Ernsthafte Diskussionen über Probleme des Staates können schon quotentauglich sein, wenn sie nur gut gemacht sind. Und die Wählerinnen und Wähler wissen, dass in Zeiten geringen Wachstums und schrumpfender Budgets keine Geschenke verteilt werden. Gerade Politiker, die auf ihre Intelligenz stolz sind, sollten das Volk nicht unterschätzen.