Meinung/Kommentare/Aussenpolitik

Brasiliens WM-Pleite als Fanal für die Wahl

Der Titel ist nun verloren, und dass Dilma Rousseff ein ähnliches Schicksal bevorsteht, nicht mehr ausgeschlossen.

Mag. Walter Friedl
über WM und Politik in Brasilien

Als der frühere brasilianische Präsident Lula (2002–2010) vor sieben Jahren die Fußball-WM an den Zuckerhut holte, hatte er einen Masterplan: Die damals bereits auserkorene Nachfolgerin Dilma Rousseff sollte auf der Welle des Erfolges ein zweites Mal ins höchste Amt des Staates getragen werden. Nun, seit dem 1:7 wissen alle: Das Semifinal-Match gegen Deutschland geriet zu einem Tsunami, in dem die Seleção unterging. In abgeschwächter Form könnte das bei der Wahl Anfang Oktober auch der 66-Jährigen widerfahren.

Denn Fußball ist in Brasilien nicht die wichtigste Nebensache der Welt, sondern nimmt einen zentralen Stellenwert ein. Zudem ist er auch so etwas wie sozialer Kitt oder Tünche, die den oft grau-tristen Alltag aufhellt – wie der Karneval, nur dass der auf fünf Tage pro Jahr beschränkt ist. In dieses Bild passt, dass die amtierende Staatschefin in der jüngsten Umfrage, die noch vor der "nationalen Tragödie" (Globo-TV über die historische Niederlage) durchgeführt worden war, in der Wählergunst um vier Prozentpunkte zulegen konnte. Jetzt dürfte das Pendel in die andere Richtung ausschlagen. Schon nach dem 5:0 gab es im Stadion von Belo Horizonte lautstarke Unmutsbekundungen gegen Dilma Rousseff, die sich am Sonntag während des Finalspiels wiederholen dürften.

Dass sich die brasilianischen Kicker bis auf die Knochen blamierten, dafür kann die Präsidentin nichts. Sehr wohl aber dafür, dass sie der Kritik Hunderttausender Demonstranten, die Milliarden wären besser in Bildung, Gesundheit und Transport investiert gewesen, nicht wirklich Argumente entgegenzusetzen hatte. Mantra-artig strich sie bloß die Wichtigkeit der WM für die Entwicklung des Landes heraus – und setzte insgeheim auf den Titel. Der ist nun verloren, und dass Dilma Rousseff ein ähnliches Schicksal bevorsteht, nicht mehr ausgeschlossen.