Eine Chance vertan
Von Walter Friedl
Israels Premier Netanyahu punktete mit Angstparolen.
über die Wahl der Knesset
Eines muss man Premier Benjamin "Bibi" Netanyahu lassen: Er ist ein Polit-Schlachtross der Sonderklasse. Als Demoskopen den Konservativen knapp vor der Knessetwahl schon abgeschrieben hatten, warf sich dieser nochmals in die Arena mit allem, was er hatte und ohne Rücksicht auf Verluste. Palästinenserstaat? Mit mir nie! Selbst am Tag des Urnenganges trommelte er potenzielle rechte Wähler zusammen und wandelte dabei hart an der Grenze zum Rassismus: Die Araber stürmten in "Horden" zur Abstimmung, meinte er, helft uns!
Die Rechnung ging auf, "Eisen-Bibi" steht vor seiner vierten Amtszeit als Regierungschef. Aber zu welchem Preis: Die Verhandlungen mit den Palästinensern kann er vergessen, doch wollte er die in Wahrheit ohnehin nie. Die Europäer sind zu recht sauer wegen des anhaltenden Siedlungsbaus. Und das Verhältnis zu US-Präsident Obama ist mehr als zerrüttet nach Netanyahus Auftritt im Kongress, der am Weißen Haus vorbei eingefädelt wurde. Dort geißelte der Premier die Atomverhandlungen mit dem Iran und den sich abzeichnenden vermeintlich schlechten Deal. Israels Existenz sei dadurch bedroht.
Es war diese Politik der Angst, die am Ende "Bibi" triumphieren ließ. In reißenden Furten – der "Islamische Staat" vor der syrischen Haustüre, radikale Palästinenser im Wohnzimmer – vertraut man lieber auf Krisen-erprobte Pferde. Dem wenig charismatischen und energischen Herausforderer Isaac Herzog traute die Mehrheit der Israelis diesen Ritt offenbar nicht zu.
Schade, das Land bräuchte dringend einen Neubeginn – in den Verhandlungen mit den Palästinensern und innenpolitisch, um die sozialen Verwerfungen auszugleichen, materiell (arm/reich) wie gesellschaftspolitisch (religiös/säkular).
Das alles kann Netanyahu nicht bieten. Israel hat eine Chance vertan.