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Der 12. Juni muss ein echter Feiertag werden

Ohne das überwältigende Ja der Österreicher zum EU-Beitritt vor 20 Jahren wären wir endgültig Provinz.

Josef Votzi
über den 12. Juni 1994

Das offizielle Österreich hatte am Donnerstag Routine-Termine am Kalender, Heinz Fischer und Werner Faymann den armenischen Staatspräsidenten zu Gast, Michael Spindelegger einmal mehr mit Haiders Hypo-Erbe zu kämpfen. Auch der Nationalrat fand sich ohne besondere Vorkommnisse ein. Der Sitzungstermin war weder maßgeschneidert, noch wurde spontan die Gunst der Stunde genutzt. Allein die gern als verantwortungslos gescholtenen Gesellen in den Medien produzierten Sonderseiten und räumten Sendezeit frei, um den runden Jahrestag ausgiebig zu würdigen: Bei einer sagenhaft hohen Wahlbeteiligung von 80 Prozent sagten am 12. Juni 1994 zwei Drittel der Österreicher in einer Volksabstimmung Ja zum EU-Betritt.

Zwanzig Jahre danach gibt es mehr Gründe denn je, das gebührend zu feiern: Nicht mit falschem Pathos oder schlichter Lobhudelei, aber mit jener differenziert positiven Grundstimmung, die die Akteure von damals im lesenswerten Buch meiner Kollegin Margaretha Kopeinig zeigen ("Der dreizehnte Stern", Czernin-Verlag): Ex-VP-Vizekanzler Busek überrascht mit der richtigen und wichtigen Aussage: "Wir sind unabhängiger von Deutschland geworden". Beitritts-Kanzler Vranitzky sieht das ganze Land "gründlich verändert", weil es "von der Randlage Europas ins Zentrums des Geschehens gerückt ist".

Stell dir vor, es ist EU und wir sind nicht drin

Den 2014 noch immer zahlreichen EU-Skeptikern hilft vielleicht ein Gedankenexperiment, ihr diffuses Unbehagen zu erden. Stell dir vor, es ist EU, aber wir wären nicht drin: Wie würde Österreich da stehen, wenn die Volksabstimmung 1994 negativ, also zugunsten der EU-Gegner, ausgegangen wäre? Das Wirtschaftsforschungsinstitut resümiert nüchtern: Ohne EU hätte jeder Österreicher um ein Fünftel weniger Geld in der Tasche. Die EU hat jedem Österreicher seit Beitritt im Schnitt ein Plus beim Pro-Kopf-Einkommen von 6700 Euro beschert. Und: Jeden zweiten der seit Mitte der 90er neu geschaffenen Jobs (im Schnitt 25.000 Arbeitsplätze pro Jahr) würde es ohne die Europäische Union nicht geben.

Zudem: Von der EU-Osterweiterung ab 2004 hat Österreich unter den bis damals 15 "alten" Mitgliedsstaaten am meisten profitiert. Der befürchtete Massenansturm von Billigarbeitskräften blieb aus. Viele Tätigkeiten, die Zuwanderer übernahmen, nehmen sie niemandem weg. Denn den Job der Slowakin, die eine Bettlägerige zu Hause pflegt, gab und gäbe es nicht, wenn ihn nicht Grenzgänger zu diesen Bedingungen und Preisen übernähmen. In dieser Rechnung sind positive Effekte wie gefallene Grenzbalken oder Reise- und Niederlassungsfreiheit noch gar nicht kalkuliert, weil auch nicht exakt quantifizierbar.

Österreich ist trotz stärkeren Wettbewerbs-Drucks auch zwanzig Jahre nach der Weichenstellung Richtung Europäische Union eines der EU-Länder mit den meisten Feiertagen. Österreich hätte allen Grund, einem dieser vielen Feiertage mit Verlegung auf den 12. Juni einen echten und neuen Sinn zu geben.