Zündstoff: Hilfreicher Trend
Egal, ob der Teamchef Marcel Koller oder Conchita Wurst heißt: Bis internationale Entwicklungen nicht mehr hartnäckig und anhaltend verschlafen werden, bleibt Österreich ein unbedeutendes Fußball-Land. Hier arbeitete zuletzt ein Teamchef, der das Wort Taktik für überbewertetes Manager-Chinesisch hielt. Hier baute man einst auf einen weißhaarigen tschechischen Messias, der aussah wie die Karl-May-Figur Klekih-petra. Und keiner durchschaute, dass jener weder seinen Job mochte, noch bereit war, Österreich auch nur ansatzweise als Wahlheimat zu betrachten. Hier ließ man Hans Krankl sehr lange an seinem Luftschloss basteln, doch das Mauerwerk bestand nur aus Schnörkseln aus dem 78er-Jahr und dem Märchen vom vollkommenen Motivationskünstler. Der Mörtel aus patriotischen Durchhalteparolen hielt aber nicht. Nicht einmal Josef Hickersberger kam bei der EM im eigenen Land über einen Punkt durch ein Elfertor hinaus. Auch wenn er kurioserweise danach trotzdem respektvoll bejubelt wurde. Mag sein, dass Koller einen Weg aus dieser ständig verlängerten Misere findet. Er wirkt zwar schmähbereinigt, aber vielleicht ist in Österreich genau das der Weg in die Professionalität: Schmähbrüder aller Schattierungen haben lange genug den Ton angegeben. Eine Handvoll aktueller Spieler hat ja dank Auslandsengagements zur europäischen Mittelklasse aufgeschlossen und die traditionsreiche Schmähbruderschaft zwangsläufig verweigert. Es reicht nicht, Gegner stark- und eigenes Versagen schönzureden. Dieses nützliche Wissen beziehen inzwischen auch viele Spieler der österreichischen Liga, weil sie in der Europa League mehr gefordert werden, als ihnen lieb ist. Koller hat eine gute Chance, wenn er den Trend zu Spielern, die mit selbstkritischem Ehrgeiz ausgestattet sind, nützen kann. Voraussetzung ist aber, dass er den Salat aus Vorschusslorbeeren genauso souverän ignoriert wie den Cocktail aus Neid und Pfründeschutz, der ihm zur Begrüßung ins Gesicht geschüttet wurde.
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