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Denkfabrik der Millionäre

Eine Denkfabrik, die nicht am Tropf öffentlicher Subventionen hängt.

Andrea Hodoschek
über das neue Institut Agenda Austria.

Eine Denkfabrik, die nicht am Tropf öffentlicher Subventionen hängt. Die keine Auftragsstudien fabriziert, deren Wissenschaftler nicht Rücksicht auf Regierung und Sozialpartner nehmen müssen und deren Analysen keine Kompromiss-Papiere sind. Sondern die tabulos an relevante wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Themen herangehen. Während rein privatwirtschaftlich finanzierte Forschungswerkstätten in den USA, Deutschland und der Schweiz längst selbstverständlich sind, startet das erste Institut dieser Art in Österreich am 1. Februar. Unter dem bedeutungsschweren Namen „Agenda Austria“, finanziert von Unternehmen und vermögenden Privatleuten. Dass dieser Klub keine linke Spielwiese sponsert, sondern sich marktwirtschaftlichen und liberalen Grundsätzen verschrieben hat, versteht sich von selbst.

Die Idee kam von Christoph Kraus, ehemaliger Chef der Kathrein Bank und Frontman des Stiftungswesens. Als Mitglied der vom österreichischen Ökonomen und Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek gegründeten Mont Pelerin Society, einem Zusammenschluss liberaler Intellektueller, stößt Kraus die übermächtige Rolle des Staates schon lange auf. Er begeisterte Veit Sorger, Ex-Präsident der Industriellenvereinigung, und suchte mit ihm als Fundraiser nach spendablen Gleichgesinnten. Für den Start mit sechs Wissenschaftlern braucht es mehr als eine Million Euro. Die Geldgeber verpflichten sich auf drei Jahre. Private mit mindestens 10.000 Euro jährlich, Firmen ab 20.000 aufwärts.

Der Billa-Gründer und Immobilien-Magnat Karl Wlaschek stellt in der Schottengasse 1 in bester Wiener Innenstadtlage kostenlos die Büros zur Verfügung. Schon unterschrieben haben sollen der Papierkonzern Mondi, die Umdasch-Gruppe, der Autozulieferkonzern Miba von Ex-Industrie-Chef Peter Mitterbauer, die Tiroler Installationsgruppe Ortner (deren Chef Klaus Ortner Großaktionär der Porr ist) sowie der ehemalige Pharma-Unternehmer Rainer Burian. Im Gespräch ist u. a. noch der Ex-Liberale Johannes Strohmayer, Mitbesitzer der Staatsdruckerei.

Leiter von Agenda Austria ist Franz Schellhorn, bis vor Kurzem als Wirtschaftschef der Presse konsequenter publizistischer Kämpfer gegen die Bevormundung des Bürgers durch den Staat und Interessensvertretungen. „Wir wollen Wege aufzeigen, wie der Wohlstand des Landes mit einfachen Korrekturen abzusichern ist“, erklärt er die Grundidee „der ersten unabhängigen Denkfabrik Österreichs“. Wie steuerzahlende Bürger entlastet werden können, „ohne den Staat in die Unfinanzierbarkeit zu treiben“. Wie unternehmerisches Denken gefördert und sozialer Friede gesichert werden können, „ohne Jahr für Jahr mehr Geld umzuverteilen“. Fundierte Studien also, „die nicht mit etablierten Pressure Groups abgestimmt werden, sondern einzig und allein der reformbereiten Öffentlichkeit dienen“. Daher wurde auch das Angebot der Industriellenvereinigung über einen Beitrag von 300.000 Euro dankend abgelehnt. Der Start am Beginn eines „Superwahljahres“ könnte nicht perfekter getimt sein. „Wir werden sicher für die eine oder andere Überraschung sorgen“, unkt Schellhorn.

Vorbild ist das Avenir Suisse, dessen Chef Gerhard Schwarz Geburtshilfe leistete. Im Stiftungsrat sitzt die Schweizer Wirtschaftselite, unter anderem Lufthansa-Boss Christoph Franz. Den wissenschaftliche Beirat in der Schottengasse dirigiert der renommierte deutschen Wirtschaftswissenschaftler Karl-Heinz Paqué. Den Vereinsobmann macht Initiator Kraus. Sorger wird im Senat, einem Quasi-Aufsichtsrat, vertreten sein.

Fragt sich freilich, ob Agenda Austria tatsächlich unabhängig agiert. Was, wenn eine Expertise womöglich nicht ins rechte Weltbild der Förderer passt oder gar die Anhänger des Versorgungsstaates begeistert? „Die Leute sollen frei arbeiten können und sind niemandem verpflichtet. Was herauskommt, kommt heraus“, beteuert Sorger.

Im Wifo erinnert man sich noch gut daran, wie Sorger als Industrie-Chef die Subventionen von 250.000 auf 100.000 Euro zusammenstrich – wegen angeblicher Linkslastigkeit. Forsche Statements der Wirtschaftsforscher Margit Schratzenstaller und Stephan Schulmeister sorgten am konservativen Schwarzenbergplatz regelmäßig für Empörung. „Unseren Mitgliedern ist die Rolle der Industrie zu kurz gekommen“, argumentiert Sorger. Seit dem Vorjahr hat die Industrie mit EcoAustria praktisch ihr eigenes Wirtschaftsforschungsinstitut. Gerüchte, der im Gegensatz zum marktwirtschaftlichen Urgestein Sorger gemäßigtere Nachfolger Georg Kapsch, dessen Verhältnis zum Wifo wesentlich entspannter ist, wolle EcoAustria zusperren, werden dementiert.

Wifo-Chef Karl Aiginger, dessen Bestellung zum Institutsleiter der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser mit Nachdruck verhindern wollte, hat die Einnahmenausfälle längst durch ein Europrojekt kompensiert, „mit dem wir quasi in die Champions League der europäischen Wirtschaftsforschung aufgestiegen sind“. Fast 40 Prozent des knapp 13 Millionen Euro großen Budgets stellt das Wifo über Aufträge selbst auf, den Rest garantieren Finanzministerium, Sozialpartner und Nationalbank. Aiginger fürchtet Agenda Austria nicht als Konkurrenz, „mehr Aufmerksamkeit für wirtschafts- und gesellschaftspolitische Themen ist kein Nachteil“.

Auch Christian Keuschnigg, Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), sieht trotz der finanziellen Abhängigkeit von der öffentlichen Hand keine Meinungs-Abhängigkeit. „Nicht alle unserer Studien werden mit demselben Enthusiasmus aufgenommen. Aber wir lassen uns nicht dreinreden, sonst würden wir ja unsere Glaubwürdigkeit verlieren.“ Gut die Hälfte des IHS-Budgets von 9,5 Millionen Euro sponsern Finanz- und Wissenschaftsministerium sowie die staatliche Notenbank.