Meinung/Kolumnen/Mitte

Urlaub

Erst als wir nachmittags Richtung Heimat fuhren, bemerkten wir, dass Österreich ertrunken war.

Ernst Molden
Über Urlaub

Der Mai, muss man sagen, war für die Liebste gleichermaßen wie für mich jeweils ein einziger Haufen Hacke. Der Teufel Freie Berufstätigkeit, der kein Zeitmanagement kennt, schiss uns diese beiden Haufen vor die Nase, und den ganzen Mai über trugen wir sie ab, hackelten, hackelten und hackelten also. Als der Mai verging, fühlten wir uns wie gepanzerte und benommene Duracell-Manderln. Und damit unsere Brut uns noch erkannte, beschlossen wir, mit den Kindern einen Belohnungs- und Erholungsausflug mit Wellness-Schlagseite. Das Ziel: Der Norden, die Therme von Laa.

Das Weinviertel schien von den Fluten, die zeitgleich ganz Österreich strangulierten, ausgespart. Es war kühl, dunstig und hollerduftend. Wir bezogen unser „Genuss-Zimmer“ im Thermenhotel, schritten über die „Brücke der Sinne“ ins Thermalbad und hängten uns wie zu marinierende Fleischstücke ins warme Wasser. Als wir Stunden später ins Zimmer zurückkehrten, bemerkten wir, was passiert war: Das Thermalwasser hatte unsere im Mai verhärteten Walnussschalen geknackt, und jetzt, jetzt brachen wir so richtig ein. Ich spielte zahlreiche Runden Herr-der-Ringe-Quartett mit den Söhnen, während die Drittgeborene mit der Liebsten noch einmal ins Wasser ging, was beider waachen Zustand noch verstärkte. Im Thermen-Restaurant „Feinspitz“ schnitten wir am „Genuss-Buffett“ ordentlich ein, und fielen, ehe uns die Bewusstlosigkeit ereilte, in die Betten. Anderntags waren wir immer noch amorph. Die Therme hatte uns gut getan, aber auch die letzte Spannkraft geraubt.

Wie Zombies bestiegen wir den Leichenwagen, um den Sonntag über noch das Land zu erforschen. Bei Drasenhofen wechselten wir nach Tschechien über und fuhren ins Liechtensteinische Schloss zu Valtice. Im dortigen Park wurde alles wieder gut. Der Erstgeborene legte sein Herbarium für Biologie an, und die Familie vergnügte sich mit einem Gang ins Foltermuseum. Mährische Erstkommunions-Kinder wandelten weiß und blau durch den Park, und unsere Stimmung wurde immer besser.

Erst als wir nachmittags Richtung Heimat fuhren, bemerkten wir, dass Österreich ertrunken war.