über LEBEN: Man lernt nie aus
Von Guido Tartarotti
Ich bin ja als Lehrerkind in einem reinen Lehrer-Soziotop aufgewachsen. Das merkt man mir heute noch an: Ich halte gerne 50-minütige Vorträge, dränge wildfremden Menschen Belehrungen betreffend den Unterschied zwischen "scheinbar" und "anscheinend" auf und habe im Wohnzimmer eine drei Meter breite Tafel stehen. Das mit der Tafel war jetzt übrigens gelogen. Ich selbst habe den Lehrerberuf nicht ergriffen, weil ich das System "Schule" als zu bedrückend empfand (außerdem wollte ich Rockstar werden und hauptberuflich Autogramme geben). In meiner Schule gab es eine Einbahnregelung: Das eine Stiegenhaus durfte man nur hinauf-, das andere nur hinuntergehen. Eigene Stiegenhauseinbahnregelungsüberwachungslehrer mussten die Einhaltung der Einbahnregelung kontrollieren und Verstöße streng ahnden. Diese Regelung hatte keinerlei praktischen Sinn - es hatte auch vorher keine Unfälle mit Sach- oder Personenschäden in den Stiegenhäusern gegeben - sie diente nur der Machtdemonstration, was den Direktor außerordentlich befriedigte. Damals ging ich grundsätzlich gegen die Einbahn durch die Stiegenhäuser, sammelte Klassenbucheintragungen wie andere Briefmarken und beschloss: An einem System, das darauf beruht, das Denken in Einbahnen zu lenken, werde ich nicht länger als unbedingt nötig teilnehmen. Jetzt war ich in eine Schule eingeladen, als Gast eine Deutschstunde, Thema Journalismus, zu gestalten. In der Pause sprach mich ein Mädchen an: "Darf ich bitte ein Autogramm haben? Ich bin sooo ein großer Fan von Ihren Kolumnen." Höchstgradig geschmeichelt kritzelte ich meinen Namen auf einen Zettel. Das Mädchen ging damit zurück zu seinen Freundinnen und sagte deutlich hörbar: "Das schenk ich meiner Mama, die steht auf den komischen Typen." Willkommen in Einbahn-Land.www.guidotartarotti.at guido. tartarotti(at)kurier.at