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über LEBEN: Eine Affäre

Sie ist eine tolle Frau. Intelligent, witzig, warmherzig, und gut aussehen tut sie auch noch. Ist das wichtig? Keine Ahnung.

Er ist ein ... wie nennt man das? Genau: Widerling. Er ist roh, gemein und dumm. Er ist außerdem klein und dick. Er hat so viel Charisma wie ein Schlepplift nach Betriebsschluss. Er findet, es gibt nur zwei wichtige Dinge auf der Welt: Geld. Und damit angeben, dass man Geld hat. Er hat einen besten Freund, den findet er toll. Sein bester Freund hat seine Hochzeit abgesagt, weil seine Braut zwei Kilo zugenommen hat, das sei unverzeihlich, sagt er (das Zunehmen, nicht das Verlassen).

Seit zwei Jahren hat sie mit ihm eine Affäre. Wobei Affäre das falsche Wort ist: Sie haben kaum etwas miteinander. Sex interessiert ihn nur bedingt, wenn kein Geld im Spiel ist. Er braucht jemanden, den er wie Dreck behandeln kann, damit er nicht so genau den Dreck in sich spürt. Und sie braucht jemanden, der sie wie Dreck behandelt, weil sie findet, dass sie es nicht besser verdient hat. Er ruft sie oft nachts an und erzählt ihr, dass er mit einer anderen geschlafen hat. Er nennt sie "dreckige Schlampe" , weil sie vor ihm schon Beziehungen hatte. Dann lässt er sich Fotos ihrer Exfreunde zeigen und empört sich über deren Aussehen: Was sei sie nur für eine miese Nutte, dass sie mit so hässlichen Männern geschlafen habe. Es sei eine Zumutung für ihn, dass er ihretwegen mit diesen Männern etwas gemeinsam habe. Wenn sie mit ihren Freundinnen auf Urlaub fahren möchte, brüllt er, sie seien "frustrierte Huren", die "endlich einmal wieder einen Latino ficken wollen". Er verbietet ihr, das Haus zu verlassen – sie wolle ja nur ausgehen, um "ordentlich herumzuhuren".

Ach ja, er ist übrigens verheiratet.

Sie sagt, sie kann nicht Schluss machen. Denn er liebe sie. Das wisse sie einfach, sagt sie.

guido.tartarotti(at)kurier.at

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