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Tagebuch: Zurück in den Käfig

Eine viertel Million Menschen jubelte am Samstag Thomas Morgenstern, Lizz Görgl, Marlies Schild, Benjamin Raich auf dem Heldenplatz zu. Hurra, wir sind eine Sportnation! Passend dazu kündigt der ORF ab dem Nationalfeiertag 24 Stunden TV-Sport an. Eine Stunde Bewegung täte Sofa-Athleten zwar noch viel besser. Doch ehe die - seit zig Jahren erhobene - Forderung nach der täglichen Turnstund' realisiert wird, kommt Österreich vom Weltranglisten-Platz 77 wohl ins WM-Finale. Dabei sind es gerade Fußball-Klubs, über die gerne gelästert wird, aber die soziale Aufgaben übernehmen und ihre Spielfelder zur Anlaufstelle machen. Auf denen wird mehr geackert denn je, um das Fehlen des Straßenfußballs zu kompensieren. Schon die Sechsjährigen von Rapid trainieren heute mehr als einst grüne Helden à la Ernst Happel - nämlich vier Mal wöchentlich. Ob (inklusive Match am Sonntag) fünf Mal "Sport nach Vorschrift" Volksschulkindern Spaß macht, darf bezweifelt werden. So schreibt Andreas Herzog (der Rekordinternationale war am Samstag der einzige Fußball-Vertreter am Wiener Heldenplatz) in seiner Trainer-Diplomarbeit: "Der Käfig-Charakter muss erhalten bleiben." Käfige? Damit sind die eingezäunten, früher so beliebten Mini-Plätze gemeint. Heute werden sie, wenn überhaupt, von Gastarbeiterkindern frequentiert, während der echte junge Weaner untergeht, indem er mehr für die Negativ-Statistik sorgt, wonach bereits jeder dritte Teenager übergewichtig ist. G'sund schau ma aus. Einerseits wird in Klubs und Akademien geübt wie noch nie, andrerseits von der Laptop-Generation die Bewegung vernachlässigt wie noch nie. Die Folge: Wie bei den Profis die Kluft zwischen Arm und Reich, wird unter Jugendlichen die Schere zwischen Fit und Fett immer breiter.