Tagebuch: Schwere Zeiten für den FC Steuerschnalzer
Von Wolfgang Winheim
Ist ein Mensch so viele Millionen wert? Zu Wochenbeginn wurde diese Frage sowohl vom KURIER-Wirtschaftsressort als auch von einem spanischen TV-Sender gestellt. Nur mit dem Unterschied, dass für die Spanier nicht die Jahresgagen von VW-Boss Martin Winterkorn (17,4 Millionen Euro) oder Banker Josef Ackermann, sondern jene ihrer Ballartisten das Thema waren.
33 Millionen sollen Lionel Messis Geniestreiche dem FC Barcelona pro Saison wert sein. 27,4 Millionen soll Cristiano Ronaldo bei Real Madrid kassieren. 19 Millionen soll Ronaldos Trainer José Mourinho in China erhalten, falls er tatsächlich nach Schanghai wechselt. Soll ...
Auf einige Millionen auf oder ab kommt’s bei solchen Summen nicht an, zumal Stars und Klubs in Geldfragen schweigen und sich Medien meist nur auf die viel zitierten gut informierten Kreise berufen.
Die wahren Zahlen werden nur vor Gericht transparent – oder wenn das Finanzamt Alarm schlägt wie in Spanien. 752 Millionen schulden die Vereine dort allein dem Staat, auf weitere 3,3 Milliarden warten andere Gläubiger.
Saragossa, Mallorca, Santander, Betis, Granada, Rayo, Hercules, Albacete, Huelva, Xerez, Cadiz, Cordoba – sie alle befinden sich im Konkurs, sie alle kicken in der Primera und Segunda División munter weiter.
Wem das spanisch vorkommt, dem sei gesagt, dass Österreichs Kickerzunft das Steuerschnalzen lange Zeit ähnlich gut (und von oben still geduldet) beherrschte wie die Südländer. So meint Ex-Nationalspieler Josef Hickersberger in Anspielung auf den fünfjährigen Freiheitsentzug für Hannes Kartnig: "Hätt’s früher so gnadenlose Richter gegeben, wäre sogar ich im Häf’n gelandet. Jeder Klub hat ein schwarzes Kassabüchel g’habt." Die lange Haft, die der Ex-Sturm-Präsident kaum vor 2013 antritt, erhielt er freilich auch wegen Betrugs.
In Zeiten ständiger Skandalmeldungen und wirtschaftlicher Sorgen sehnen sich arbeitende Menschen eben nach ein bissl Erfolg und Fröhlichkeit. Nur beim ÖSV-Herren-Cheftrainer Mathias Berthold verfinsterte sich vorübergehend die Miene, als ihm via Handy ein Foto seines verbeulten und verpflasterten Sohnes übermittelt wurde.Frederic Berthold fiel beim Europacup-Finale im Aostatal im Super-G fürchterlich auf die Nase. Zur gleichen Zeit, zu der Hirscher und Michaela Kirchgasser ihre Siege zelebrierten. Ob Hirscher, Kirchgasser, Anna Fenninger oder Marlies Schild – sie alle kommen aus einem Salzburger Umkreis von nur 40 Kilometern; und aus einem Landesverband, in dem nach einer turbulenten Präsidentenwahl (Ex-Abfahrer Bartl Gensbichler setzte sich gegen Ex-Abfahrtsweltmeister Michael Walchhofer durch) gestritten wird, dass die Fetzen fliegen. Pinzgau gegen Pongau lautet das Match. Und Reibung erzeugt Energie. Unter diesem Motto beginnen sich auch Schladminger Platzhirsche und ihre Vormünder vom ÖSV zu einer erfolgreichen WM-Organisation zusammenzustreiten. Aber: Was Fairness und Diplomatie betrifft, können sich auch altbewährte Funktionäre den jüngsten österreichischen Weltcup-Sieger zum Vorbild nehmen: Marcel Hirscher, 23. Holländische Mama und Salzburger Papa haben ihn gut erzogen.