Meinung/Kolumnen/Tagebuch

Oft unterschätzt, nie erreicht

Nie, wurde in Österreich geunkt, würde sich Polster in Deutschland durchsetzen.

Wolfgang Winheim
über Anton Polster

Es war im April 1982, als der damalige, fachlich geschätzte Austria-Trainer Erich Hof auf die Kantinentür deutete: „Da kommt wieder so ein Vater, der meint, dass sein Bua bei der Austria ein Leiberl haben muss. Aber glauben S’ mir, der wird keiner für die Bundesliga.“ Heute scheint der Untaugliche in der Länderspielstatistik als Rekordschütze Anton Polster mit 44 Toren auf.

Es war im Sommer 1988, als Polster, obwohl er bis dahin schon drei Meister-Saisonen bei der Austria und ein Jahr in Turin in den Beinen hatte, anlässlich seines Wechsels nach Sevilla prophezeit wurde: Er werde an der Sprachbarriere und den hohen spanischen Ansprüchen scheitern. Irrtum: Polster sollte so viele Tore (55) für den FC Sevilla erzielen wie zuvor noch nie wer in der Vereinsgeschichte.

Es war am 15. November 1989, als die Leut’ im Prater-Stadion bei Durchsage der Aufstellung bei der Nummer 9 gnadenlos pfiffen. 100 Minuten später war Österreich für die WM qualifiziert. 3:0 gegen die (mit dem heutigen FC-Bayern-Sportdirektor Matthias Sammer angetretene) DDR. Drei Tore vom „Neuner“, von Toni Polster.

Es war 1992/’93 in Madrid, als Polster für den Vorstadtklub Rayo Valleycano in fast jedem zweiten Spiel selbst gegen Topklubs ein Tor zum Nulltarif gelang. Oje statt Olé. Er gewann drei Prozesse, sah aber laut seinem Anwalt Skender Fani nie eine Peseta, was dem Toni damals, als ihn boshafte Teamkollegen im Geizkragen-Ranking gleich hinter Niki Lauda und Michael Konsel nannten, besonders wehgetan haben muss.

Es war 1993 vor seinem Transfer zum 1. FC Köln: Nie, wurde in Österreich geunkt, würde sich der bald 30-Jährige in Deutschland durchsetzen. Zu statisch, zu träge, zu unbeweglich. Jedoch: Das vermeintliche Auslaufmodell wurde zum Publikumsliebling und – weil er so oft in einem Match zwei Mal traf – für die deutschen Medien zum „Toni Doppelpack“.

Es war am 1. Juni 2005, als Polster von Frank Stronach nach kaum einjähriger Dienstzeit als Austria-Generalmanager wegen einer angeblichen Unregelmäßigkeit bei einer Spesenabrechnung im 200-Euro-Bereich gefeuert wurde. Mehr noch: Der frühere Schütze von 119 Austria-Toren bekam im Gegensatz zu manchem Rowdy Hausverbot. Es folgte – aus Angst vor dem Zorn des Geldgebers – betretenes Schweigen im Verein. Zumindest so lange, bis sich Stronach von Austria vertschüsste und vor Gericht gegen Polster verlor.

Am Samstag erlebt Polster,49, just im Austria-Stadion, das er zwei Jahre nicht betreten durfte, sein spätes Bundesliga-Debüt als Trainer. Als Coach des Austria-Gegners. Als Sportchef des Außenseiters Admira.

Kann der Mann, der als Spieler nie Trainer werden wollte, erneut Vorurteile widerlegen?