Meinung/Kolumnen/Tagebuch

Dopende Schauspieler

Ohne Doping, sagte Andreas Berger, sei man chancenlos.

Wolfgang Winheim
über unsauberen Sport

Die gute Nachricht für wahre Sportfreaks: Der ORF überträgt im August die komplette Leichtathletik-WM aus Moskau. Die weniger erfreuliche: Der schnellste Mann des Jahres, Tyson Gay, wird fehlen. Gedopt, gesperrt. Und ist es angeblich nur eine Frage der Zeit, bis auch der Schnellste überhaupt, Usain Bolt, auffliegt.

Vor einen Vierteljahrhundert,als die meisten Österreicher noch auf den ORF angewiesen waren, versäumten die wegen der damaligen Leichtathletik-Ignoranz des Monopolisten Sporthistorisches. Wie Ben Johnson in Rom 100-Meter-Weltmeister wurde und dabei dem Österreicher Andreas Berger die beste Startzeit gelang.

Ein Jahr danach tappte Johnson in die Dopingfalle. Etliche zu diesem Zeitpunkt offiziell noch „saubere“ Kollegen fielen verbal über Ben, den Betrüger her. Berger schloss sich der Heuchelei nicht an. Er hielt den Mund. Und er wusste, warum: 1993 ergab eine Kontrolle, dass er und seine von einem Religionslehrer trainierten Sprint-Staffelkollegen ebenfalls keine Heiligen waren.

Ohne Doping, sagte Berger, sei man chancenlos. Als ich daraufhin schrieb, dass die Olympischen Spiele bald nur noch einem Treffen von Noch-nicht-Erwischten und Nicht-mehr- Gesperrten glichen, war die Aufregung groß.

Argument Nummer eins der Moralisten war richtig: Man dürfe nicht verallgemeinern. Argument Nummer zwei, wonach die Leichtathletik Doping in den Griff bekäme, erwies sich als Fehlanzeige. Mehr noch: Die Elementarsportart wird 20 Jahre später in einem Atemzug mit der Tour de France genannt. Dort brach der Gesamtführende Chris Froome eine Pressekonferenz ab, weil die Fragen ständig nur ums Doping kreisten.

Für das öffentliche Misstrauen darf sich der – hoffentlich – anständige Brite bei demaskierten Tour-Helden bedanken. Denn wer kann noch irgendjemandem glauben, wenn er TV- Konserven aus Zeiten sieht, in denen Lance Armstrong oder Jan Ullrich mit treuherzigem Augenaufschlag beteuerten, dass sie nie Verbotenes genommen hätten?

Die Kerle, die erst nach Karriereende gestanden, waren ähnlich begabte Schauspieler wie Sportler.