Meinung/Kolumnen/Tagebuch

Der Gröden-Komplex

Bei Postkartenwetter reichte es zu keinem österreichischen Top-Ten-Platz.

Wolfgang Winheim
über die ÖSV-Pleite in Grödig

28.000 Euro für Super-G-Sieger Aksel Lund Svindal, 28.000 für den Abfahrtsersten Erik Guay. Österreichs Piloten gingen bei der Grödener Beuteverteilung leer aus. Deshalb sechs Wochen vor Olympia ein Krisengezetere anzustimmen, wäre zwar typisch österreichisch, aber voreilig.

Ein Speed-Team, das bei vier Überseerennen sechs Podestplätze herausholte, kann nicht das Skifahren verlernt, sondern höchstens einen Gröden-Komplex haben. Denn die Ski-Nation Nummer eins wird absurderweise dort, wo die Gastfreundschaft gegenüber rot-weiß-roten Brettlartisten besonders groß ist, in den letzten Jahren alle Dezember wieder kräftig entzaubert.

Nachdem im Vorjahr sogar der Niederländer Marvin van Heek eine Wetterlotterie nutzte, um den ÖSV-Stars um die Ohren zu fahren, reichte es gestern bei Postkartenwetter zu keinem österreichischen Top-Ten-Platz.

„In Wahrheit“, sagt Georg Streitberger „hat von uns auf dieser Strecke hier immer nur der Walchi was derfahren.“

Der Walchi? Damit meint Salzburger Streitberger den Salzburger Michael Walchhofer. Den Ex-Weltmeister, der in Gröden mit vier Erfolgen die Schwächen seiner Teamkollegen regelmäßig kaschierte, der vor drei Jahren seine Karriere beendete und der seit dem Sommer auch ÖSV-Vizepräsident ist.

In Kitzbühel wird Vizepräsident Walchhofer im Jänner noch einmal die Rennlatten anschnallen. Als Vorläufer. Diese Mutprobe hatte sich zwischen 1996 und 2002 Marcel Hirschers nunmehriger PR-Mann Stefan Illek (mit und ohne ORF-Kamera) auf der Streif gleich 45-mal angetan.

Jetzt hat Illek Hirschers Mikrofon-Slalom zu lenken und zuweilen auch die Kunst des Abwiegelns und Schweigens zu beherrschen. Letzteres wird hiermit einmal ohne weltmeisterliche Erlaubnis mit monatelanger Verspätung anlässlich des heutigen Riesenslaloms in Alta Badia gebrochen. Denn dort hat Hirscher den Opfern eines Erdrutsches, der vom Zielraum aus zu sehen war, seine Vorjahres-Prämie für Platz zwei gespendet. Still und heimlich überwies er 18.000 Euro zurück ins Hochabteital.