Meinung/Kolumnen/Tagebuch

Oberspatzen und Oberlehrer

Betretenes Schweigen, als auf der Video-Wall zu sehen war, wie Fill im Netz zappelte.

Wolfgang Winheim
über fidele Südtiroler

Drei fidele Südtiroler, die auch außerhalb der Piste oft für Unterhaltung sorgen, spielten die Hauptrollen beim Nordtiroler Ski-Krimi vor 50.000 auf dem Hahnenkamm.

Dominik Paris, weil er, der 89er-Jahrgangskollege von Marcel Hirscher und Max Franz, bei der Mutprobe in 1:57,56 Minuten bewies, dass sein Ex-aequo-Sieg mit Hannes Reichelt auf der ähnlich schweren Abfahrt in Bormio kein Zufall gewesen war;

Christof Innerhofer, weil dank ihm, dem strafweise in der Startreihenfolge rückgereihten Doppelweltmeister, viele TV-Konsumenten noch eineinhalb Stunden nach Rennbeginn vor dem Bildschirm ausharrten.

Und dank Peter Fill, weil der Verwandte vom Kastelruther (Ober-)Spatzen Norbert Rier an der Steilhangausfahrt die spektakulärsten Salti produzierte, ohne sich zu verletzen.

Betretenes Schweigen, als auf der Video-Wall zu sehen war, wie Fill im Netz zappelte.

Applaus, als Fill ein paar Minuten später und 700 Höhenmeter tiefer auf Skiern durchs Ziel rutschte.

Und Gelächter, als kurz später der Platzsprecher eine neuerliche Unterbrechung nützte, um lautstark zu verkünden:

„Herr Platter freut sich, dass ihn Arnold Schwarzenegger begrüßt hat.“

In welcher Sprache Höflichkeiten ausgetauscht wurden und ob der Landeshauptmann den Ex-Gouverneur so wie vor einigen Monaten den ÖFB-Nationalspieler David Alaba mit „How do you do“ ansprach – das ist nicht überliefert.

Im Weltcup gilt bei den Teamcaptain-Meetings Englisch als Amtssprache. Was sich sehr amüsant anhören kann, wenn der Vorsitzende aus dem Schwarzwald einem Steirer oder Tiroler demonstriert, dass er im „Englisch-Unterricht“ einst brav aufgepasst hat.

Als es am Vorabend der Abfahrt galt, über den unfolgsamen Christof Innerhofer zu Gericht zu sitzen, hat Weltcup-Direktor Günter Hujara dann aber so richtig Deutsch mit dem „Sünder“ geredet, um nur ja keine Missverständnisse aufkommen zu lassen.

Für neutrale Beobachter war trotzdem unverständlich, warum Innerhofer, der wegen unerlaubten Fortsetzens seiner Trainingsfahrt nach einem Sturz strafweise ohnehin mit aussichtslos hoher Nummer ins Rennen gehen musste, von Hujara vor ein Ultimatum gestellt wurde: Entweder öffentliche Entschuldigung bei ihm, Hujara, oder Gerichtsverfahren und Lizenzentzug.

Der Weltcup-Direktor drohte dem 28-Jährigen allen Ernstes mit Berufsverbot, entrüstet darüber, dass der Südtiroler vor ORF-Mikrofonen in Anspielung auf widersprüchliche Jury-Angaben von einer Unverschämtheit gesprochen hatte. Ja, Hujara machte Innerhofer dafür verantwortlich, dass er, der untadelige Top-Funktionär, von einem unbekannten User ein böses Mail erhalten habe.

Solche Droh-Mails sind leider im Online-Zeitalter alltäglich. Wären Fußball-Schiedsrichter oder Sportjournalisten ähnlich dünnhäutig wie Hujara, müssten sie ihren Job aufgeben. Was wir vom Weltcup-Direktor nicht hoffen. Denn Hujara ist trotz aller Oberlehrer-Manieren der fleißigste Mann der FIS. Und vermutlich der einzige Deutsche, der bei der WM-Abfahrt in zwei Wochen in offizieller Mission dabei sein wird.

Stephan Keppler aus Schwaben belegte am Samstag Rang 28. Dafür gibt’s 700 Euro, doch keinen WM-Startplatz.