Meinung/Kolumnen/Tagebuch

Eine andere Fußball-Welt

Der BVB pfeift auf Promis, die sich nur eines Gesichtsbades wegen zum Fußball verirren

Wolfgang Winheim
über das Stadionerlebnis in Dortmund

Auch wenn der FC Bayern samt dem 20-jährigen David Alaba aus Wien-Aspern, der von der Süddeutschen Zeitung schon 2012 zum Bayern des Jahres gewählt wurde, 2013 die meisten Punkte gesammelt hat – der Klub mit den weltweit meisten Zuschauern ist Borussia Dortmund.

Die Zahl der Abo-Besitzer wurden auf 54.000 limitiert. 26.400 Karten gelangen alle zwei Wochen in den freien Verkauf, um eine geschlossene Gesellschaft zu verhindern. 30.000 Abo-Interessenten stehen auf der Dortmunder Warteliste. Zahlen zum Komplexekriegen in Österreich, wo der Besucherschnitt auf 6588 sank.

Auch zur Partie gegen Nachzügler Augsburg strömten gestern 80.400. Bloß am Dienstag dürfen zum Champions-League-Retourspiel gegen Málaga, das hierzulande als ORF-Quotenschreck in Puls 4 (mit Studiogast Lothar Matthäus) und Sky zu sehen ist, nur 70.000 in die Borussen-Arena: Die UEFA lässt aus Sicherheitsgründen keine Stehplätze zu. Das bedauern die Spieler. Allein die von der (mit 28.000 Menschen) größten Stehplatztribüne der Welt hinterm Südtor ausgehende Stimmung reißt selbst die nobelsten Besucher von ihren Sitzen.

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Mit schrillem Klingelton wie auf dem Schulhof werden VIPs vor Anpfiff und Pausen-Ende aufgefordert, Buffet und warmen Innenraum zu verlassen. Der BVB pfeift auf Promis, die sich nur eines Gesichtsbades wegen zum Fußball verirren. Ungeachtet dessen erreicht der Frauenanteil bereits 40 Prozent. Und der Computer hat errechnet, dass ein Borussia-Fan im Schnitt 127 Kilometer zu einem Heimspiel anreist.

Im Juli wird eine Hunderte Kilometer längere Völkerwanderung erwartet, von der Tirols Tourismus profitiert: Tausende Borussia-Sympathisanten wollen ihren Dortmundern nachreisen, wenn Mario Götze, Marco Reus und Co. in Kirchberg zum Nulltarif wohnen und in Brixen trainieren. Im August wird die Region Zentrum der Borussia-Jugendschule sein. Als Gegenleistung sind die Kitzbüheler Alpen bei jedem Heimspiel mit Werbetafeln präsent. Kulttrainer Jürgen Klopp ließ sich bereits für Flugzettel mit Tirolerhut fotografieren.

Eine andere gut gemeint gewesene Kooperation zwischen der Borussia und Österreich hat sich still und leise erübrigt, zumal Austria-Vorstand Thomas Parits erkennen musste, dass selbst Überschussgut des deutschen Ex-Meisters das Gehaltsschema des österreichischen Fast-Meisters sprengen würde.

Meister Alaba spielt jetzt auch finanziell in dieser anderen Liga. Als er 16 war, musste ihn die Austria zum Schnäppchenpreis von 150.000 € den Bayern überlassen.