Meinung/Kolumnen/Tagebuch

Die neuen Deutschen

Die Sieger werden nicht mehr den Vorurteilen vom goscherten Piefke gerecht.

Wolfgang Winheim
über den Höhenflug des deutschen Fußballs

8:1 gegen die entzauberten Wunderklubs aus dem Weltmeisterland! Das erste deutsche Finale zeichnet sich in der Geschichte der Champions League ab, deren Spiele fast schon einer Computer-Animation ähneln. Immer mehr Tempo, immer mehr Perfektion am Ball.

Anders als früher beeindrucken die Deutschen bei diesem PlayStation-Fußball nicht nur mit Teamwork, Kampf und taktischer Disziplin, sondern mit technischen Gustostückerln.

Und anders als im vergangenen Jahrhundert werden die Sieger aus München und Dortmund mit ihren Reaktionen nicht mehr den Vorurteilen vom goscherten Piefke gerecht.

Was vielleicht auch daran liegt, dass den Deutschen bewusst ist, wie sehr sie die Triumphe auch ihren Legionären aus Polen ( Robert Lewandowski), den Niederlanden (Arjen Robben), Frankreich (Franck Ribéry), Brasilien (Dante) oder Österreich (David Alaba) verdanken.

Gäbe es nicht die aktuelle Steueraffäre um Bayern-Präsident Uli Hoeneß, müsste Österreichs Fußballgemeinde aufgefordert werden, sich pauschal alles aus der Deutschen Bundesliga zum Vorbild zu nehmen:

Die Trainer Jupp Heynckes und Jürgen Klopp, die trotz der klaren Siege mit großem Respekt vor den spanischen Gegnern und den Retourspielen warnen.

Die Fans von Dortmund (darunter die gefürchteten Ultras), die Jungstar Mario Götze entgegen aller Befürchtungen unmittelbar nach Bekanntwerden seines Transfers zum Rivalen nach München nicht auspfiffen, sondern mit Beifall unterstützten.

Den selbstkritischen Teamverteidiger Mats Hummels, der meinte, dass sich alle mit Ausnahme von ihm, Hummels, Lob verdient haben.

Und Dortmunds 22-jährigen Mittelfeldstratege Ilkay Gündogan, der vor Mikrofonen rhetorisch besser und sympathischer rüberkommt als so manch österreichischer Politiker.

Inzwischen fliegen auch die Landsleute seiner Eltern auf Dortmund. Die Turkish Airlines werden zehn Millionen an Borussia zahlen, damit sie Ilkay und Kollegen transportieren dürfen.