Meinung/Kolumnen/Tagebuch

Blaulicht-Alarm

Die Österreicher sehnen sich unbewusst nach Sport, der nicht von Aggression dominiert ist.

Wolfgang Winheim
über die TV-Wintersportinflation

Die Überflieger oder die Kurzskiakrobaten, Bischofshofen oder Zagreb, Gregor Schlierenzauer oder Marcel Hirscher – wer krönt sich am Sonn- und Feiertag zum Schneekönig und hat die Nase vorn im Quotenvergleich? Der ORF wird vermutlich wieder über siebenstellige Einschaltziffern jubeln. Doch ehe TV-Kritiker ihr intellektuelles Haupt schütteln ob der Wintersportinflation, sei bei allem übertriebenen älplerischen Patriotismus angemerkt:

Vielleicht schauen nicht allein deshalb so viele Österreicher zu, weil Österreicher so viel gewinnen, sondern ...

... weil ihnen Sonntagmittag leichtere Kost einfach lieber ist;

weil sie des ständigen Politiker-Gezänks und der Gräuelmeldungen von Krieg und Kriminalität überdrüssig sind;

und weil sie sich unbewusst nach Sport sehnen, der nicht von Aggression dominiert ist wie leider so manches Fußballspiel.

Nur einmal im letzten Renn-Winter drohte die Stimmung gefährlich zu kippen, als Kroatiens Ski-Idol Ivica Kostelic vor TV-Kameras eindeutig zweideutig sagte, dass sich Hirscher in Zagreb den Sieg auf unkorrekte Art ercarvt habe. Zum Glück stiegen Kostelic und Hirscher vor dem Schladminger Nachtslalom rechtzeitig auf die Emotionsbremse, in dem sie bei der Nummernauslosung Freundschaft demonstrierten. 45.000 waren beruhigt, Hirscher siegte erneut.

Sonntag wird in Zagreb erstmals wieder um die 42.000-Euro-Siegesprämie gefahren. Doch Marcel Hirscher reagiert, auf Zagrebs Besonderheiten angesprochen, mit der für ihn typischen Gelassenheit. „Ungewöhnlich ist nur, dass unsere ganzen 200 Leut’ vom Weltcup mit Polizeieskorte von der Stadt zum Berg gebracht werden. Urgeil. Mit Blaulicht vorn und hint’.“

Die berüchtigten Bad-Blue-Boys vom Fußballklub Dinamo indes sollten keinen Blaulichteinsatz notwendig machen. Zumal Kostelic für den Sieg kaum noch in Frage kommt. Der 33-jährige Lokalmatador kann zwar immer noch wunderbar Skilaufen. Doch im Gegensatz zum 34-jährigen Benjamin Raich kaum noch grad gehen.