Meinung/Kolumnen/Sex in der freizeit

Zweiters Programm

Ich zähle ja noch zu der Vierteltelefon-Generation. Sie wissen schon, das war dieses speibgraue Ding mit der lauten Wählscheibe. Menschen unter 30 sollte man ja mit seinen Vierteltelefonerinnerungen oder sentimentalen Schilderungen von Radio-Kassettenrecordern oder dem ersten Betthupferl im Farbfernsehen gar nicht erst belästigen. Voll öd, nächste G’schicht, Muttchen. Und jetzt reden wir bitte über die Augmented Reality Brille von Google. Ich, nicht fad, weiß ja, was das ist. Augmented Reality steht für „erweiterte Realität“. Die Brille blendet dem Nutzer nicht nur hilfreiche Informationen ein, sondern erstellt per integrierter Kamera Filmchen. Mit diesem Ding auf der Nase wäre es also möglich, parallell in eine andere, virtuelle Welt einzutauchen und sie zu schaffen. Beispiel: Unsereiner geht durch den Supermarkt, um Sachen für den Wurstsalat zu kaufen, derweil schickt die Google-Brille auf der Nase Wurstsalatrezepte ins fade Aug’. Oder es wird das ultimative Wursteinkaufserlebnis mitgefilmt. So ungefähr halt. Man kann während des Wurstsalatzutatenkaufens aber auch in eine völlig andere „virtuelle Realität“ eintauchen. Eine Idee wäre es etwa, Pornos zu schauen. Heißt: Während das eine Auge sieht, wie sich eine Blondine von drei Herren rundum-bedienen lässt, bestellt man an der Wursttheke 50 dag Kranzlextra. Lachen Sie nicht, das ist gar nicht einmal so abwegig. Tatsächlich zeigt sich die Rein-Raus-Industrie schon sehr an der Wunderbrille interessiert. Erst vor Kurzem berichtete die Futurezone des KURIER davon – demnach haben die Leute des Tiroler Erotik­game-Entwicklers ThriXXX schon ein paar nette Ideen für das Unterleibsgenre. Und gute Argumente: „Ein Gerät, das über eine Kamera und ein Micro-Display verfügt und dabei in der Lage ist, alles aus dem Blickwinkel des Trägers aufzunehmen, ist geradezu dafür prädestiniert, das Interesse der Erotikbranche zu wecken.“ Das hat wohl vor allem mit dem Handling zu tun: „Die Brille ermöglicht es, beide Hände frei zu haben, weil alles direkt darüber gesteuert wird.“ Und beide Hände beim Herumschweindln frei zu haben, kann schon rein praktisch kein Schaden sein. Außerdem könnte die Brille auch beim Produzieren von „POV-Videos“ (POV = Point-of-View) helfen. Bei denen erlebt der Zuschauer das Geschehen aus Sicht des Protagonisten.

Die Porno-Industrie gilt ja als Triebfeder für neue Technologien. Erst wenn die aufspringt, fängt eine Erfindung an zu boomen – das war schon mit dem VHS-System so. Doch zurück zur Google-Brille. Sollte sie eines Tages massentauglich werden, würde sie unsere Wahrnehmung des Alltags genauso ra­dikal verändern wie Beziehungen. So gibt es etwa die Idee eines Flirt-Assistenten: Um beim Objekt der Begierde landen zu können, blendet die Super-Brille fesche Flirtsprüche oder Lebensweisheiten ein – man braucht sie nur abzulesen und ins Gespräch zu streuen. So mutieren Volldolme zu klugen Schwätzern, trau keinem mit Google-Brille! Noch gruseliger allerdings die Vorstellung, dass einer mit einem Aug in einem Porno steckt, während er haucht, wie schön meine braunen Äuglein nicht sind. Das Zwischenmenschliche wird da wohl neu definiert werden müssen.

gabriele.kuhn(at)kurier.at