Sieben Tage Sex
Von Gabriele Kuhn
In "Sieben Tage Sex" wird der tägliche Beischlaf zwangsverordnet – die Paare müssen dazu Tagebuch führen.
über eine neue Doku-Soap
Nach dem Dschungelcamp ist vor dem Dschungelcamp – gewissermaßen. Doch wem der Entzug des TV-Voyeurismus Panikattacken bereitet, dem sei „7 Tage Sex“ in den Schoß gelegt. Eine neue Dokusoap von RTL, die ab 27. Februar nach dem Finale von „Der Bachelor“ (Sie wissen: Das ist dieses unsägliche Format, in dem etliche Trutschn um einen Mann buhlen, der mitunter tussiger ist als die Tussis um ihn herum) startet. Die Idee rankt sich um das beliebte Thema „eingeschlafene Beziehung“ – also Paarungen, wo im Schlafzimmer weder geschüttelt noch gerührt wird. Sondern geschlafen – jeder mit seinem Tuchentzipf. Die Sendung versteht sich als „ungewöhnliche Form der Paartherapie und zwar ganz ohne Therapie.“
Dafür wird den Doku-Soap-Paaren sieben Tage Vögeln verordnet – der tägliche Koitus ist fix, die Protagonisten müssen sich sogar verpflichten, über ihre Aktivitäten ein Tagebuch zu verfassen. Auch auf ATV will man mit dem Sex-Marathon punkten – ab 6. Februar wird sich eine gewisse Eva einem ausgehungerten Peter täglich hingeben. Und wir knabbern dazu Soletti und Chips. Eine neue Eskalationsstufe des TV-Exhibitionismus scheint also erreicht.
Eine Frage des Geschmacks, klar. So ein Blick in die Intimsphäre von Menschen wirkt für viele Menschen anziehend. Die wichtigere Frage ist für mich allerdings, ob man aus dem Fick-mich-täglich-Konzept etwas für das eigene Sexleben schließen kann. Kann das Rezept „Jeden Tag Sex“ das Geilheitsbarometer auf Dauer heben?
Ich sag ja eher nein. Das Lieben lebt von der Überraschung und der Abwechslung. Alles, was täglich stattfindet, wird zur Routine. Ich putze mir täglich die Zähne. Routine. Ich dusche täglich. Routine. Ich fahre täglich mit dem Auto in die Arbeit. Routine. Öd. Öd. Öd. Muss sein, gehört dazu, haken wir ab. Das hat sich die Lust nicht verdient. Jeden Tag vögeln ist wie jeden Tag Wimperntusche auftragen. Notwendig, en passant, husch-husch. Ich sage: Sex darf nicht zur Agenda werden. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an die Amerikanerin Carla Muller. Sie hat ihrem Mann Brad zu dessen 40. Geburtstag 365 Tage täglichen Sex geschenkt, um aus der Routine des Nicht-Vögelns auszubrechen – und über diese Erfahrung ein Buch verfasst: 365 Tage Sex. Ihr beider Schluss: eh irgendwie netter Versuch, aber auf Dauer nicht zu derblasen. Und das, obwohl sie lustig experimentierten, allerlei schlimmes Sexspielzeug testeten und immer wieder mal im Hotel übernachteten. Wuh, arg. In einem Interview einige Zeit danach resümierten beide: „Es war irgendwann einmal langweilig, langweilig, langweilig. Aber – immerhin – es ist etwas in Schwung gekommen.“ Heute tun sie es immerhin zwei bis drei Mal die Woche. Und das ist für Langzeitbeziehungen gar nicht so übel.
Was mich an ein ähnliches Experiment erinnert – und zwar jenes des Journalisten Douglas Brown, der mit seiner Frau Annie zehn Tage lang täglich Sex hatte. Er verarbeitete dies zum Erfahrungsbericht „Just do it“, auch ein Bestseller. Die beiden gaben sich enthusiastisch: „Sex belebt!“. Eh. Aber machen wir bitte keine tägliche Turnstunde daraus.
gabriele.kuhn@kurier.at