Sex-Nachhilfe per Porno
Von Gabriele Kuhn
Nein, VR ist weder das neue Französisch oder Griechisch, sondern die Abkürzung für Virtual Reality.
über Sex-Nachhilfe per Porno
"Hilfe, mein Mann will Pornosex“, las ich im Ratgeber-Eckchen einer Website unter der Rubrik „Lifestyle“. Der Grund für den Userin-Aufschrei: Der Partner hole sich sämtliche Anregungen und Bumsvorlagen zunehmend von diversen Pornoseiten im Netz. Und möchte fast alles, was ihm da so geboten wird, auch im Schatten der heimischen Ikea-Schlafzimmerlampe erleben. Aber Pech, Mutti mag keinen Analsex.
Einige Klicks weiter erfahre ich, dass sich eine Pornoseite neuerdings sexualtherapeutisch betätigen möchte. Indem sie nämlich Nachhilfevideos für Männer anbietet, die mit realem Sex Probleme haben. Mein erster Gedanke: ausgerechnet! Irgendwie scheint sich hier nämlich die Katze selbst in den Schwanz zu beißen. Denn die verzerrten und total überzogenen Ich-kann-immer-und-komme-stark-Bilder der Pornoindustrie tragen ja häufig dazu bei, dass viele Menschen – Männer wie Frauen – glauben, man müsse 24/7 können und das maximal explosiv. Wenn’s dann nicht so ist, man also ein bisserl zu früh, zu spät oder mitunter gar nicht kommt, man also nicht „abgeht wie eine Rakete“, reden alle gleich von einer Störung. Aber keiner kommt auf die Idee, dass echter Sex durchaus unspektakulär sein kann – und nicht immer gleitgelartig dahinflutscht. Ebenso kommt niemand auf die Idee, dass Pornos nicht nur geil machen, sondern vielen das Bild vermitteln, die Sache mit dem Vögeln müsse so performen wie ein Aktiendepot.
Dass in diesen sogenannten „Nachhilfevideos“ des Pornoanbieters BaDoinkVR dann ausgerechnet ein Pornostar in XL-Ausführung ins Reich der Sextherapie einführt, mit dem hehren Ziel, unsichere oder unerfahrene Männer zu ermutigen, firmiert unter dem Aspekt „interessant“.
Und das noch dazu in – alles festhalten – VR! Nein, VR ist weder das neue Französisch oder Griechisch noch eine neue Natursekt-Variante, sondern die Abkürzung für Virtual Reality – den neuen heißen Scheiß der Pornoindustrie. Ich erspare Ihnen jetzt langatmige technische Details, sondern schildere nur das Ergebnis: Der Betrachter schaut nicht mehr Pornos, er ist – mit Hilfe einer speziellen VR-Brille – mittendrin, statt nur dabei. So als wäre er Teil des Geschehens. Und ja, das Zeug wirkt, wie etwa US-amerikanische Journalisten persönlich getestet haben. Ein Redakteur des Online-Portals „Mashable“ erlebte die virtuelle Begegnung mit virtuellen Brüsten und Damen so intensiv, dass er meinte: „Sie sind direkt vor mir! Was wollen die?“
Doch zurück zur pornografischen Sextherapie. Exakt diese neue Erlebnisform soll ermöglichen, dass die hilfesuchenden Nutzer die Akt-Situationen „wie echt“ erleben und durchspielen dürfen – ergänzt durch Teledildonics. Noch so ein Wort. Das sind elektronische Sextoys, die per Computer gesteuert werden. Dazwischen regt Pornodarstellerin Ames zu Atemübungen an, die helfen, den Orgasmus hinauszuzögern. So schön, so ambitioniert das auch klingen mag – ich fürchte nur, dass dabei ein paar nicht unwesentliche Kleinigkeiten fehlen: Etwa, dass es im echten Leben eben keine Pornostars sind, die Hand anlegen. Sondern Menschen, die atmen, riechen, fühlen, denken. Und oft nicht so tun, wie man sich’s erträumt und gerne hätte.gabriele.kuhn@kurier.at