Meinung/Kolumnen/Sex in der freizeit

Genitales Fast Food

Was da jenseits des genitalen Fast Foods passiert.

Gabriele Kuhn
über One-Night-Stand-Burnout

One-Night-Stand-Burnout. Interessantes Wort. Ich bin daran hängen geblieben, als ich ein Interview mit dem Sexualpsychologen Christoph Joseph Ahlers im ZEIT-Magazin las. In dem ging es u.a. darum, was Sex ist – und was nicht.

One-Night-Stands (ONS) sind ja an sich nichts Böses, im Gegenteil, die haben durchaus ihren Reiz, davon kommt keiner in die Hölle. Mitunter wird ja aus so einer unkalkulierten Ad-Hoc-Geilheit etwas Dauerhaftes. Öfter aber auch nicht. Meist bleiben ONS flüchtig oder nur durch ihr extraordinäres Setting im Gedächtnis haften. Wuuh, arg – Kopfkino, Anekdote, Prahlerei. Hot, sexy, ungewöhnlich. Ein Fall fürs erotische Tagebuch. Und ja, aus ONS lässt sich auch allerlei lernen, sie sind meist Teil der Reihe „Versuch und Irrtum“, und das ist speziell in der Pionierphase angewandten Herumvögelns nicht übel. Da probieren wir uns an Sexualpartnern aus, wir experimentieren mit dem Moment, wir vergessen uns, geben uns hin, sind im Jetzt. Schauen, was geht, was kommt, was bleibt. Oder haben einfach nur Spaß. Wunderbar.

Die Frage ist nur: Wann reicht’s? Wann sind alle Blümchen verkostet, sämtliche Bäumchen gewechselt, wann wurde alles probiert und studiert, um am Ende zu wissen: Sex ist Sex. What now, my Love? Jetzt wäre doch einmal der Moment für mehr als das. Ausstieg aus dem Notgeil-Hamsterrad, stattdessen: Begegnung, aufeinander einlassen, verweilen. Und schauen, was da jenseits des genitalen Fast Foods passiert.

Der Sexualpsychologe Ahlers erzählt von Menschen – Männern wie Frauen –, die nicht aufhören können, nach schnellem Sex zu gieren. Die suchen nach punktueller Erregung, nach schnellen Höhepunkten, vor allem aber nach Anerkennung. Der Fick war gut, die Zigarette danach vielleicht auch noch – aber dann? Da sitzen sie, und wissen nicht so recht, wohin. Mehr, mehr, mehr – um am Ende immer weniger an echten Gefühlen zu bekommen.

Menschen, die es immer nur beim Quickie belassen, erzeugen schnelle Kicks. Die emotionale Baisse, die Leere danach, kann auf Dauer nicht fein sein. Sex ohne Begegnung und Nachhall bleibt seltsam leer, auf den Moment des Körperlichen beschränkt. Was der Quickie offen lässt, sind viele Fragen: Wer bist du, wer bin ich, was können wir einander geben – außer einen Abend an Gleitgel? Und was sagen unsere Herzen dazu?

Schneller Sex kann – wohldosiert – lustig sein, aber das Leben hat’s nicht so gemeint. Sexualität ist mehr als das Sammeln von Blow-Job-Trophäen und Abarbeiten von Kondom-Großpackungen. Manchmal wird das vergessen – so, als ob Orgasmen als Diskontware und Geschlechtsverkehr als „Nimm-10-zahl-Zwei“–Sonderangebot verstanden werden. Dass sich ein Mensch im anderen verlieren kann, ist etwas zutiefst Menschliches und sehr wichtig. Über eine dauerhafte sexuelle Begegnung erleben wir Nähe, wir fühlen uns angenommen, geborgen und in einem Du aufgehoben. Das ist magisch – auch, weil es jetzt endlich nicht nur darum geht, willig, feucht und hart, sondern einfach nur neugierig und hingebungsvoll zu sein. Im besten Fall wird daraus Liebe.