Einmal Fullservice, bitte
Von Gabriele Kuhn
Beim Stöbern im Archiv des KURIER fiel mir vor einiger Zeit ein Bericht aus dem Jahr 1960 in die Hände. Da ging’s um die Zukunft – scheinbar seriöse Prognostiker behaupteten, dass der Mensch im Jahr 2000 auf dem Meeresgrund leben würde und, ja: dass Krebs heilbar sei. Seit zwölf Jahren müsste ich also eine Ferienwohnung im Marianengraben haben, und die Onkologen wären arbeitslos. Tja. Und weil wir gerade dabei sind – ich ahnte schon im Gymnasium, dass George Orwell spinnt.
"Wir können uns die Zukunft immer nur als Apokalypse, Konsumhölle oder absurden Comic-Strip vorstellen. Wenn wir aber einmal dort sind, wird sie sich als ganz normaler Ort zum Lieben, Heiraten, Autofahren und Kinderkriegen erweisen", sagte der Zukunftsforscher Matthias Horx einmal. Rückblickend kann ich nur sagen: genau. Und: gut so! Doch jetzt zum Thema Liebe und Sex: Speziell was das betrifft, wabern periodisch allerlei eigenartige Visionen herum – so zuverlässig wie die Regenzeit kommen irgendwelche Forscher nämlich mit dem Thema "Roboter-Sex" daher. Erst jetzt war überall zu lesen: "Sextourismus 2050 – Roboter ersetzen Prostituierte. Zukunftsvision soll Amsterdamer Rotlicht-Image retten." Das sagte nicht irgendwer, das behaupteten der Management-Professor Ian Yeoman und die Sexologin Michelle Mars in der Zeitschrift "Futures".
Wer das nachliest, kriegt irgendwie das Gefühl nicht los, da haben sich zwei Lustige zusammengetan und bei zwei Flaschen Wodka ihre Fantasien durchgehen lassen. Ich stelle mir das so vor: Der Professor zur Sexologin – "Und ex Mischi, runter mit dem Schluck. So, jetzt mach deine schönen Augen zu, vergiss den Forscher-Alltag und werde ein bisserl geil. Was siehst du?" Und während die Mischi mit Schlafzimmerblick einen Sexclub namens "Yub-yum" im Amsterdam des Jahres 2050 imaginiert – kritzelt der Professor auch schon ein paar schnelle Entwürfe für so genannte Sex-Androiden auf eine Serviette. Michelle öffnet die Augen und haucht durchaus animiert: "Ian, my dear – let’s drink another Wodka und jetzt: du. Wie sieht’s aus in meinem hübschen Club?" Ian nimmt einen tiefen Schluck, ordert Eis und Nüsschen, schiebt Michelle die vollgeschmierte Serviette rüber: "Look, my dear. Das ist Jacqueline – nur eine von vielen fast nackten maschinellen Sexdienstleisterinnen. Es gibt sie in allen Hautfarben und Körperformen." Ians Augen leuchten – "Und, fuck, sie liefern ihren Kunden Kom!plett!service!" Die Sexologin nickt lasziv: "Geschlechtsverkehr, Lap Dance, Massage meinst du damit wohl. Ian, what a dirty bastard you are!" Aber weil der gute Mann kein Fader ist, sondern ein Management-Professor mit Hoden, setzt er der Vision noch eines drauf: "Und you know what? Die Robo-Nutten sind supersauber, weil aus viren- und bakterienresistenten Fasern. Heaven, dear – endlich some fucking ohne Gummi!"
In meiner Fantasie trinken die zwei jetzt aus und gehen miteinander ins Bett. Weil sie dann doch ahnen, dass die Zukunft auch nicht das ist, was sie einmal war und wissen: Sex mit einem, der fühlt, atmet, weint und schreit, der kommt und dann wieder nicht, ist das Beste, was es derzeit auf dem Markt gibt. Und das wird – bitte! – auch 2050 so sein.
gabriele.kuhn(at)kurier.at