Die Gewissensfrage Nr. 4
Von Gabriele Kuhn
Ja. Ja. Das ist oft so. Das passiert in den Schlafzimmern dieser Welt häufiger, als man vielleicht annehmen würde. Nämlich das da: Eine Frau vögelt, damit „a Ruh“ ist. Womit sich die Leserinnenfrage ergibt: Soll ich? Oder soll ich lieber nicht? Mit einem Mann „gnadenhalber“ ins Bett gehen. Dazu vielleicht ein kleiner Einschub: Kürzlich bin ich – mehr oder weniger durch Zufall – über einen recht eleganten Begriff aus dem angloamerikanischen Sprachraum gestoßen. „Courtesy Fuck“ heißt der. Das klingt nach einer Runde Beckenboden-Turnen auf Downton Abbey oder auf einem Reiterhof mitten in Cornwall. Ungefähr so: „My Dear one, do you consider a courtesy fuck tonight (Liebste/r, ziehst du allenfalls einen C-Fuck in Betracht)? Je nachdem, werden die so Angesprochenen eine Braue hoch- oder das Höschen ausziehen und sich entscheiden. Dagegen oder eben dafür. Dazu sollte man allerdings wissen, was der Begriff überhaupt bedeutet. Ins Deutsche übersetzt heißt der Begriff Courtesy-Fuck „Anstands/Gefälligkeitsfick“. Damit ist Geschlechtsverkehr gemeint, der mit „freundlicher Genehmigung“ in die Wege geleitet wird und eher nicht so von spontaner Begierde und Lust geprägt ist. Den nimmt man hin, den lässt man über sich ergehen, der geschieht „halt“, vielleicht sogar auf Basis eines Arrangements – etwa: „Ich geb dir (Geld, Sicherheit, ein Haus, Geborgenheit), du gibst mir (Sex). Da schwingt nicht zwingend Höflichkeit mit, stattdessen Contenance und Vernunft. Die sanfte Schwingung eines „hach, das muss halt. Soll sein!“ Die Gründe für so ein Sex-Arrangement sind vielfältig. So eine Höflichkeits- oder eben Gefälligkeitsnummer passiert etwa, weil einem ein Mann leid tut: „Moah, der brauchert’s halt endlich einmal. Der ist herzig, aber, naja, eigentlich nicht so mein Typ.“ Und dann – derbarmt man sich. Vielleicht wurde ein bisserl was getrunken, vielleicht so viel, dass alles netter und verklärter ist. Es passiert. Und das ist – einmal ist keinmal – okay. Vielfach kommt dieses Phänomen in der Ehe und in Langzeitbeziehungen vor. Als eher weibliches Phänomen – sie macht es, um die Last seiner Lust für ein paar Tage zu entschärfen. Als Testosteron-Tranquilizer, quasi. Genau darum ging es übrigens bei der Frage von Leserin L. Sagen wir einmal so: Dass in Langzeitbeziehungen die Leidenschaft 20 Jahre durchlodert, ist eher unwahrscheinlich. Naturgemäß entsteht ein Ungleichgewicht der Kräfte. Auf 4 x „Ich will jetzt schnackseln“ bei ihm kommt ein „Ich auch“ bei ihr. Schwierig. Dann kann es schon einmal sein, dass er das wird, was eine gute Freundin von mir sehr gerne als „wahnsinnig lästig“ bezeichnet: Er läuft unrund, isst mehr, trinkt mehr und schreit mit seinem Spiegelbild oder einem Teller, der ihm aus der Hand gefallen ist. Abhilfe kommt aus der Mathematik: Aus der 4:1-Schnacksel-Formel mach eine 4:2-Lösung – nicht immer, aber immer öfter oder halt gelegentlich. Als „Tat im Namen der Liebe“. Die ist, hie und da, legitim. Was sie allerdings nicht ist: eine Dauerlösung. Da muss mit der Zeit was Besseres her. Etwa ein paar Gedanken, wie das knarrig gewordene Geilheitsgebälk wieder geschmeidiger wird. Da sind dann allerdings beide gefordert.
Haben Sie eine Gewissensfrage? Bitte an: gabriele.kuhn@kurier.at