Meinung/Kolumnen/Schule

Eltern und ULOs

Diese Kinder ohne Buch werden Eltern ohne Buch – mit Kindern ohne Buch.

Niki Glattauer
über das Lesen

Weil jetzt die Ergebnisse des Wiener Lesetests vorliegen (jedes fünfte Kind kann nicht lesen), und weil da schon wieder einige Bildungsexperten wissen, wer schuld ist, nämlich die Lehrer, ein klares Wort zum Montag: Es braucht nicht andere Lehrer, sondern andere Eltern. Und Achtung jetzt, das heißt nicht, dass Österreichs Mütter wieder zu Hause bleiben sollen. Und dass die Schule ihre Verantwortung, den Fortpflanz (© Polly Adler) zu bilden und auszubilden, an die Eltern delegieren soll. Selbstverständlich bleibt die Volksschule der Ort, an dem einem Kind das große A und das stumme H beigebracht werden muss. ABER: Kinder aus Elternhäusern, in denen der Möbelix-Katalog das einzige Bilderbuch ist, Elternhäusern, in denen diese überhandygroßen Dinger, die sie da manchmal auf den Nachtkasterln von Fernsehfamilien zu sehen kriegen, unter „ULO“ firmieren – „Unbekanntes Liegendes Objekt“, ist die Volksschullehrerin chan-cen-los.

Was es braucht, sind Eltern, die im Kind die Lust auf Lesen wecken. Und zwar schon mit, sagen wir, zwei (Jahren), allein dadurch, dass sie selber lesen: Buch, Heft, den KURIER ;-), Rezepte, Wikipedia. Lesen, ergo etwas wissen, ergo etwas zu sagen haben, wenn Drei- und Vierjährige ihre Fragen zum Leben zu stellen beginnen.

Aber diese Eltern fallen nicht vom Himmel. Die kriegst du immer weniger in einer falschen, weil zweigeteilten Haupt-Schule, nicht Hauptschule jetzt, sondern Haupt-Schule, sprich Schulstufe 5 bis 9. Im Alter zwischen zehn und 15 werden Kinder zu Erwachsenen, suchen Vorbilder, lernen sich und die Umwelt kennen, gehen raus (manche gehen weiter Richtung Uni) – und kriegen wieder Kinder. Nachweislich umso früher & öfter, je weniger Bildung & Job. Dort liegt der Hund begraben. Solange eine schlechte Migrations- , Wohn- und Bildungspolitik Rest- und Gettoschulen schafft, in denen die Kinder ohne Buch unter sich bleiben, ehe sie zu Mittag in die Parks entlassen werden, wird sich an der Lese-Misere nichts ändern. Diese Kinder ohne Buch werden Eltern ohne Buch – mit Kindern ohne Buch. So einfach ist das.