Tratsch und Quatsch, Teil II
Lasst du mich bitte mal ausreden, steht auf Platz 1 der Hit-Liste.
über die Szenen einer Redaktionsehe.
Sie
Dass es nicht immer einfach ist, einen Partner mit Logorrhö-Gen an seiner Seite zu wissen, habe ich vergangene Woche erläutert. Da haben Sie zwar einiges erfahren, doch der Einblick in sein Wort-Reich war nur mikroskopisch. Denn in Wahrheit zieht sich das "Jetzt red ich"-Prinzip wie ein dunkler Faden durch unsere Liebes- und Lebensgeschichte. Daher bin ich mir sicher, dass der Satz Lasst du mich bitte mal ausreden auf Platz 1 der Hit-Liste Most famous Hufnagl/Kuhn-Words steht.
Öde G’schicht
Dass der Mann an chronischem Sprechdurchfall leidet, zeigt sich unter anderem daran, dass er wie ein Bub, der Lulu muss, auf dem Sessel wetzt, wenn ich im Freundeskreis meine Version einer Geschichte präsentieren will. Ich weiß genau, was passiert, wenn ich die Worte Also, das war so … ausspreche. Erst verschränkt er die Arme, dann lehnt er sich zurück – schließlich schaut er weg. In den Himmel, den Boden, ins Nichts. Damit sagt er was, ohne was zu sagen, nämlich: Nau, jetzt bin ich gespannt, wie öd die G’schicht wieder wird … Denn aus seiner Sicht kann ich nur jede dritte Story halbwegs gut erzählen. Der Rest fällt unter die Kategorie Pointe gut, aber aus, zu lang, zu verschwurbelt. Und weil er ist, wie er ist, fängt er spätestens beim dritten Satz mit besagtem Wetzen an. Sein innerer Schüler schreit: Frau Fessa, ich weiß es! Und weil ihn Frau Fessa (also ich) ignoriert und weiter doziert, redet er drein: Nein, Hasi. So war das nicht, es war so … Und plötzlich fängt er an, meine Story auf seine Art zu erzählen. Die echte Pointe kommt meistens am Ende des Abends. Dann, wenn wir nach Hause fahren und er frohlockt, wie superwitzig es heute gewesen sei. Doch im Herzen weiß ich es ganz genau: Er meint vor allem, wie superwitzig ER gewesen sei.
Er
Ich frage mich ja gelegentlich, wie unsere geschätzte Leserschaft dazu kommt, sich vom Selbstmitleid der Autorin zu meiner Linken zutexten zu lassen. Daher will ich an dieser Stelle dafür um Verzeihung bitten, sie kann einfach nicht anders. Speziell dieses Thema scheint der Liebsten offensichtlich mehr zuzusetzen, als man es bei einer derart geschulten Monologopädin vermuten möchte. Aber was tut sie? Statt ein feines Textlein über den profunden Abendunterhalter an ihrer Seite zu formulieren, entwirft sie das Bild eines Schreckgespensts, das der eigenen Frau keine Bühne gönnt. Und das tut sie nur, weil ich vor Ewigkeiten vorsichtig angemerkt habe, dass Story A meinem Gefühl nach oft genug erzählt worden ist und Story B durch radikale Kürzung im Mittelteil massiv an Unterhaltungswert gewinnen würde. Was zur Folge hat, dass gnä Kuhn seither noch mehr Details einbaut und Geschichten beginnt mit: "Ich weiß, ich hab’s schon einmal erzählt, aber ..." Wer bitteschön verdreht da nicht die Augen (außer natürlich sämtliche anwesenden und zur Höflichkeit erzogenen Gäste).
Zwischentöne
Ich habe mich jedoch längst daran gewöhnt, dass für sie der langatmige Weg zur Pointe das Ziel ist. Und ebenso an die vorwurfsvollen Zwischentöne im Stil von "Und du sag jetzt nix" oder "Hör kurz nicht hin" (als könnte es bei einem "kurz" bleiben). Ich verzichte also edelmütig darauf, den Pointenkiller zu spielen und sogar auf den Satz "Schahatz, komm zum Puhunkt." Statt dessen betätige ich mich als stiller Nachschenker. Denn steter Tropfen schönt das Sein.
Unsere nächsten Auftritte: 23. 9. (Tag der offenen Tür im KURIER), 30. 9. in St. Pölten (Bühne am Hof), 3. 10. im Wiener Rabenhof. Alle Herbsttermine auf paaradox.at
Twitter: @MHufnagl