Ein Mann sieht rot
Da sind so viele Socken mit Loch – warum?
über Romantik im Alltag
Sie
Man braucht echt keinen doppelten Doktor im G’scheitsein zu haben, um zu wissen: Die Farbe rot heißt was. Und zwar meist was mit Achtung, Gefahr, Stopp. Ein normaler Mensch sieht rot und hält inne, er bleibt bei einer Ampel stehen oder denkt nach, was zu tun sei. Nicht so der Mann nebenan. Für den ist rot in erster Linie lustig, fesch oder hat was mit Puff zu tun. Unlängst griff er – jetzt ein Lob, damit es nicht heißt, ich bashe ihn nur – zum Staubsauger. Er saugte eine ganze Weile, als ich das Wohnzimmer betrat und sah, dass ein Lämpchen am Gerät (ein beutelloses Modell) rot leuchtete. Wie bei normalen Menschen üblich, war mir in der Sekunde klar: Da stimmt was nicht.
Es leuchtet
Ich dachte nach (womit ich mich von ihm unterschied) und brachte mich ein: „Ui, da leuchtet was.“ Darauf er: Hab ich gesehen, wurscht. Heißt sicher, dass der Sauger in Betrieb ist. Und wenn nicht, auch egal, weil, der saugt eh super! In solchen Momenten schlage ich geistig im Ratgeber „Zen für den Alltag“ nach, auf der Suche nach einem Gelassenheitsmantra gegen Ignoranz und, ähem, Blödheit. Ich versuchte es sodann mit einem Aber-Satz: „Aber ich bin mir sicher, das ist kein gutes Zeichen. Sollten wir nicht den Staubbehälter ausleeren?“ Das WIR platzierte ich bewusst, um ihn nicht alleine blöd dastehen zu lassen. Ich lud ihn quasi zur kollektiven Drecksarbeit ein, als gemeinschaftliche Verschwörung gegen die Technik. Aber, Psychologie hin, Psychologie her – er pfiff drauf, weil: keine Zeit, keine Geduld und wozu? Meine letzte Rettung war die Gebrauchsanweisung, die ich allerdings nur in der Version „Nederlands“ fand. Die Lämpchen-rot-Erklärung „Stofbak vol-indicator“ verstand dann sogar er. Wer die Drecksarbeit machen durfte? Immer der, der das Gerät durchschaut. Und ja, ich hab’ eine Stauballergie.
Er
Unter all en jenen Dinge, die ich besonders gerne mache, kommt Staubsaugen unmittelbar nach Fangerlspielen mit Fruchtfliegen. Dabei stört es mich weniger, große Flächen zu saugen, als vielmehr das unentwegte Vorarbeiten in alle entlegenen Winkel der Wohnung – nicht, ohne zig Teppiche wegräumen sowie Hocker, Blumentöpfe oder Zeitungskörbe beiseiteschieben zu müssen. Ja, mühsam ist das. Und wenn ich es daher tue, dann will ich klarerweise nicht von einem roten Licht, das nach Aufmerksamkeit giert, gestört werden. Und erst recht nicht von einer Frau, die in Anbetracht dieses lächerlichen Signals eine Mimik an den Tag legt, als stünde die Explosion des gesamten Wohnbezirks unmittelbar bevor.
Kompliziert
Da nützte es auch gar nix, die nervöse Seele wider besseres Wissen damit beruhigen zu wollen, dass ich ihr versicherte, das rote Licht wäre – meinem Kopf gleich – nur ein Zeichen reger Betriebsamkeit. „Nein, nein, nein“, rief die Ehefrau, „wir müssen etwas tun! Und zwar sofort!“. Das in solchen Fällen strategisch verwendete „wir“ überhörte ich großzügig. Aber ich ahnte, ab jetzt wird’s kompliziert.
Denn es ist nämlich keineswegs so, dass wir wie Millionen andere Menschen ein Staubsauger-Modell besitzen, bei dem mithilfe eines Handgriffs Dreckentleerung möglich ist. Oh nein! Nachdem ich den Behälter gereinigt hatte und wieder saugen wollte, leuchtete das Lämpchen weiter. Als wollte das Rot mir sagen: „Ungeduld ist therapierbar.“
In Folge musste ich einen Filter ausbauen, einen Zylinder herausdrehen und zwei Düsen entkoppeln, um den vom Hersteller geforderten Sauberkeitsgrad zu erlangen. Begleitet von den Worten meiner Frau, die aus einem ca. 195 Seiten dicken Beipacktext Unverständliches zitierte. Schade nur, dass es keine Gebrauchsanleitung für Ehefrauen gibt.
Twitter: @MHufnagl