Wie gerecht ist Recht?
Von Birgit Braunrath
Wie gerecht ist Recht?
über Schmerzengeld
Die Frau litt „unerträgliche Schmerzen“ und wurde von einem Pfleger „in den Sitz gepresst“, während der Arzt mit einer falsch verabreichten Cortison-Injektion ihr Auge irreversibel verletzte. Diagnose: blind. Die Frau ist 34 Jahre alt. Die Höhe des gerichtlich festgelegten Schmerzengeldes liegt bei 20.400 Euro. Ist das angemessen? Die Frau sagt Nein. Zu Recht, wie Anwälte meinen.
Der Mann, ehemaliger Minister und EU-Parlamentarier, wurde wegen Bestechung zu vier Jahren Haft (nicht rechtskräftig) verurteilt. Heute soll der OGH-Senat darüber befinden. Der erstinstanzliche Richter sagte in der Urteilsbegründung, es sei „notwendig, eine Strafe zu verhängen, die eine abschreckende Wirkung hat“. Vier Jahre für Ernst Strasser. War das gerecht? Strasser, der sich als „österreichischer Aufdecker Snowden“ sieht, sagt Nein. Aber vom Ruf nach Gerechtigkeit zur Selbstgerechtigkeit ist es oft nur ein Schritt.
Zwei Beispiele, die eines zeigen: Recht ist nie absolut, ist immer auch Ermessenssache. Eine Frage des Ermessens zwischen angemessen und vermessen.