Meinung/Kolumnen/Ohrwaschl

Hin vor jeden!

Wir, die lachende, aber unparteiische Braut. Wie lang geht sich das noch aus?

Guido Tartarotti
über Österreich, Grillparzer und die Neutralität.

Die inoffizielle, aber entscheidende Präambel zur österreichischen Bundesverfassung stammt von Franz Grillparzer und beginnt so: „Es ist ein gutes Land“ (und weh dem, der wagt, dies zu leugnen) – denn „es lacht wie dem Bräutigam die Braut entgegen“.

Generationen von Schülern mussten den Monolog des Hornek aus „König Ottokars Glück und Ende“ auswendig lernen, zumindest die entscheidenden sechs Zeilen:

„’s ist möglich, dass in Sachsen und beim Rhein/es Leute gibt, die mehr in Büchern lasen;/Allein, was not tut und was Gott gefällt,/der klare Blick, der offne, richt’ge Sinn/da tritt der Österreicher hin vor jeden/denkt sich sein Teil und lässt die anderen reden!“

Ein bemerkenswertes Programm: Wir halten zwar vielleicht nicht so viel von Bildung („Büchern“) wie andere, haben aber den „richt’gen Sinn“ und treten daher unerschrocken vor – und sagen dann doch lieber nichts. Dieses Konzept wurde unter dem Namen „ Neutralität“ sogar Fundament der Republik: Wir, die lachende, aber unparteiische Braut. Die Frage ist: Wie lang geht sich das noch aus?