Ein Schlag ins Gesicht
Von Birgit Braunrath
50 Prozent der Eltern bekennen sich zu Ohrfeigen
über Erziehungsmittel
Auf den ersten Blick ist die Zahl erschreckend: 50 Prozent der Eltern bekennen sich dazu, Ohrfeigen und andere „leichte Formen der Gewalt“ als „ Erziehungsmittel“ anzuwenden. Das meldet die Liga für Kinder- und Jugendgesundheit in ihrem Jahresbericht. Dass an einer Watsche nichts, aber schon gar nichts, gesund sein kann, ist längst bekannt. Dennoch gibt es da draußen gar nicht wenige Menschen, die öffentlich die Ansicht vertreten: „Mir haben als Kind ein paar Watschen nicht geschadet. Ich glaub’ sogar, manchmal hab’ ich sie verdient.“ Meist folgt darauf ein süffisanter Grinser. Thema beendet.
Diese Form der moralischen Zurechtbiegung entlastet, zumindest für den Moment: Wer sich einredet, seine Eltern hätten richtig gehandelt, erspart sich den oft schmerzhaften Blick auf Gewalterfahrungen in der Kindheit. Die weitverbreitete Ansicht „Eine Ohrfeige ist nicht gleich Gewalt“ bagatellisiert den eigenen Schmerz und relativiert somit die Ohrfeige an sich. So betrachtet, sind die 50 Prozent Watschen-Eltern gar nicht so überraschend hoch.