Meinung/Kolumnen/Lebenslauf

Hochsaison für eine Scheinwelt

Babbage konnte keine Interviews geben.

Michael Hufnagl
die Woche im Rückblick

Der Wahlkampf ist in der Dreieckständer-Phase angelangt. Das bedeutet 29 Tage vor dem 29. September: Es gibt kein Entrinnen mehr – vor den entschlossenen Gesichtern und den visionären Botschaften. Vier Wochen lang müssen wir uns in einer plakatierten Scheinwelt bewegen.

Gleichzeitig begannen die TV-Duelle der Spitzenkandidaten. Das sind traditionell jene Veranstaltungen, im Zuge derer a) sogenannte unentschlossenen Wähler eine Show geboten bekommen, um einen Entschluss-Strich zu ziehen. Und b) sogenannte Stammwähler mobilisiert werden, heißt: Keine kluge Überzeugung daheim ist so viel wert wie ein primitives Kreuzerl im Wahllokal.

Den Anfang machten Werner Faymann und Michael Spindelegger im Rahmen jenes Rendezvous, das auf Puls4 zum „Kanzlerduell“ erklärt worden war. Und einmal abgesehen davon, dass für ein Kanzlerduell ein Kanzler zu wenig am Start war, so denkt man dabei doch unweigerlich an John Wayne und Clint Eastwood. Oder zumindest an Zorro und d’Artagnan. Nicht auszudenken, Helden wie diese würden in Sekundenschnelle ihre Wasserpistolen ziehen bzw. mit Styroporkugeln, Wattepads oder Luftschlangen um sich werfen.

Du, Du

Die Großkoalitionäre taten im Stil von „Liebesg’schichten und Heiratssachen“ genau das und halfen damit vermutlich vor allem den Unentschlossenen, die sich denken könnten: Na gut, die zwei schon einmal nicht.

Kein Wunder, dass den Analytikern am Ende nicht mehr blieb als die weltbewegende Frage, warum Faymann zu Spindelegger Michael und Spindelegger zu Faymann Werner gesagt hat. Spannender als der Du-Hammer wäre nur noch gewesen, wie es dem Vizekanzler gefühlsmäßig damit geht, dass er ausgerechnet am Wahltag auch Namenstag hat.

Beide sollten sich jedenfalls an Bundespräsident Fischer ein Beispiel nehmen. Der nämlich gestand, dass er einst als Klein-Heinzi mit einer Steinschleuder auf eine Gaslaterne schoss. Und auch noch – sapperlot – traf.

Beim ORF indes durfte zum Auftakt Eva Glawischnig zeigen, wie leicht es ist, H. C. Strache als das aussehen zu lassen, was er ist, ein ... (hier mögen die Leserinnen und Leser ein lustiges Wort ihrer Wahl einfügen). Und im Anschluss bewies Frank Stronach, wie man einem treuherzigen Josef Bucher so lange Hochmut, Selbstherrlichkeit und herablassende Gesprächsführung vor Augen führt, bis der sagt: „Soll ich gehen?“

Mahü

Im Übrigen kommen die Fakten, dass der Alpine-Bankrott mit 5 Milliarden beziffert und die Hypo Alpe-Adria uns allein 2013 3,5 Milliarden Euro kosten wird, nur am Rande vor. Verständlich, weil Politiker, Volk und Medien mit der Aufregung um die Mariahilfer Straße derzeit völlig ausgelastet sind.

Abseits der Wahl freuen wir uns natürlich über die Tatsache, dass es die Wiener Austria (vor doppelt so vielen Live-TV-Sehern wie das Kanzlerduell) in die Champions League geschafft hat – zumindest so lange, ehe diese beginnt.

Und darüber, dass Teddybär Babbage den Rekord von Felix Baumgartner gebrochen hat und aus 39 km Höhe gen Erde fiel. Die Mission Ted Bull Stratos kostete nur 350 Euro und hatte doch einen großartigen zusätzlichen Effekt: Babbage konnte keine Interviews geben.

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