Wenn’s sonst keine Probleme gäbe
Von Doris Knecht
Sie rührte mich, als sie ihre erste große Amerika-Tournee aus Liebeskummer abbrach.
über Adele
Man ist direkt froh, wenn man dieser Tage bei der Zeitungslektüre und beim Herumgammeln im Netz auch einmal auf etwas stößt, das nicht so wichtig ist. Das kein Video ist über das Elend frierender Flüchtlingsfamilien an Österreichs Grenzen. Kein alarmierender Bericht über krebserregende Wurst und böses Fleisch.
Sondern so etwas wie Richard Lugner, der im KURIER sagte, er schaue "doch nicht überall nach, wo jemand Geschlechtsverkehr hat". Like! Fotos vom somit aufenthaltsermittelten Helmut Elsner in einem Fisch-Haubinger in der Wien Innenstadt. Einen "Great Moment" des ORF aus 1996 mit dem jungen Grissemann, dem karierten Stermann und einem Hund namens Frau Pepi, damals schon deppert lustig. Oder das neue Video von Adele.
Ich mag Adele. Ich mag sie, obwohl ich damit jede Idee eines exklusiven Geschmacks quasi an der Garderobe abgebe, denn nicht nur ich hab’ mir das neue Adele-Video gleich angesehen, sondern auch noch ein paar andere. 146.481.621 um genau zu sein. Egal.
Ich mag Adele. Natürlich, wie viele andere auch, weil sie vorwiegend durch eigene Kraft und ihren starken Willen dahin kam, wo sie jetzt ist. Sie beeindruckte mich mit ihrer bescheidenen Herkunft als Tottenhamer Tochter einer alleinerziehenden Mutter. Sie rührte mich, als sie ihre erste große Amerika-Tournee aus Liebeskummer abbrach. Es gefiel mir, dass sie sich weigerte, sich in die übliche Schablone der Mainstream-Sängerinnen zu pressen und sich einem Frauenbild anzupassen, das sexy und schön mit einem ganz strikten Körperideal verband. Es beeindruckt mich, dass sie ihre Songs selber schreibt, und ich finde es toll, dass sie damit so großen Erfolg hat.
Das neue Video gefällt mir übrigens nicht. Auch nicht der Song, der ihrer Stimme und ihren Möglichkeiten nicht viel Gutes tut und sich nur auf ihr Talent der perfekten Interpretation trauriger Trennungsballaden kapriziert. Ja. Und wenn wir keine größeren Sorgen hätten als das, wäre ich wirklich froh.