Wenn man jetzt ein Alien wäre
Von Doris Knecht
Ostersonntag. Sich freuen, dass die Ratschen-Kinder jetzt nicht mehr um sieben Uhr früh vor dem Schlafzimmer stehen. Noch ein bisschen weiterschlafen. Einen frühen Kaffee trinken. Nester verstecken, und ein paar bunte Eier, draußen, in der noch ziemlich kalten Natur, im feuchten Gras. Sich freuen, wie still es ist auf der Straße, wie grün schon das Gras.
Und wie tapfer die Bäume schon knospen und zum Teil bereits blühen: Ein Wunder, so normal und zuverlässig, so unfassbar komplex und großartig, dass man es jeden Lenz kaum fassen kann. (Manchmal stellt man sich einen Alien vor, der an einem grauen Wintertag den Planeten Erde zum ersten Mal betreten hat. Er landete zwischen dicken trockenen, knorpeligen, unregelmäßigen schwarzgraubraunen Pfosten, die meterhoch in den Himmel ragen: mit ausufernden Seitenteilen, sich verjüngende Streben und ungleichmäßigen Stäben, in die wiederum kleinere Stäbe montiert sind, offensichtlich planlos. Der Alien würde sich fragen, wer diese Pfosten in die Erde gesteckt hat, und zu welchem Zweck, sie sind nicht schön, sie stehen unordentlich in der Gegend herum, sie verstellen die Sicht, leblose Monumente offenbar, in großer Zahl errichtet. Und dann würde der Alien an den äußersten Pfosten-Stäben kleine Veränderungen wahrnehmen, Verdickungen, deren Farbe sich unmerklich verändert, und dann muss man sich vorstellen, wie der Alien zum ersten Mal eine Baumblüte sieht, und dann den Baum in grünem Blätterwerk explodieren. Unglaublich. Unfassbar. Ein Wunder, selbstverständlich, garantiert, jedes Jahr, auch heuer wieder.)
Man freut sich, wie gut das Frühstück schmeckt, und die Schokolade, die man den Kindern aus den Nestern stibitzt, wie leicht die Ostereier sich heuer schälen lassen, wie herrlich die Kinder sind (also, solange man ihnen die Smartphones nicht wegnimmt), wie freundlich die Nachbarn, wie schön es sich in der Sonne sitzt, an der schon warmen Hauswand … Schönen Sonntag, alle.