Jetzt neu: Armut wird strafbar
Von Doris Knecht
Werden Sie in Wien in nächster Zeit lieber nicht arm.
über den Umgang mit Obdachlosen
Einer der Obdachlosen aus dem Wiener Stadtpark, der in den letzten Wochen wiederholt geräumt wurde, soll nun 198 Euro Strafe zahlen, weil er sich weigerte, seinen Platz zu verlassen. Beschämend. Erinnert an Ungarn, wo Obdachlosigkeit unlängst zu einer Straftat erklärt wurde, auf die Gefängnis steht.
In Wien ist es jetzt ähnlich: Armut wird zum Verbrechen, Arme werden kriminalisiert. Das ist besorgniserregend: Vor allem, wenn man bedenkt, dass Armut zu einem immer breiteren Problem wird, und dass die meisten – und immer mehr – der neuen Armen ihre Situation keineswegs selbst verschuldet haben.
Sondern die Weltwirtschaftskrise, und wer an der Krise Schuld ist, wissen wir: Spekulanten, Manager und Banker, von denen die wenigstens zur Verantwortung gezogen wurden, von denen ein erheblicher Teil immer noch ihre fetten Boni kassiert. Während die Opfer dieser Gier ihre Ersparnisse, ihre Sicherheit, ihr Stabilität, ihre Wohnungen verlieren. Und viele auch ihr Leben, wie eine gestern im Ö1-Mittagsjournal vorgestellte EU-weite Studie zeigt: Steigt die Arbeitslosigkeit um drei Prozent, erhöht das die Zahl der Suizide von Menschen unter 65 um vier Prozent, die Zahl der alkoholbedingten Todesfälle sogar um 30 Prozent. Und Arbeitslosigkeit und Alkohol sind mit Obdachlosigkeit bekanntlich meistens eng verknüpft.
Was will man uns damit sagen, wenn nun auch in Wien Obdachlose vertrieben und kriminalisiert werden, wovor soll uns das warnen? Davor, Opfer einer Krise zu werden, für die wir nichts können? Davor, arm zu werden und im schlimmsten Fall die Wohnung zu verlieren? Und was geschieht als Nächstes?
Vorgestern hat sich ein runder Tisch getroffen und Maßnahmen zur Obdachlosigkeit in Wien besprochen. Nicht erfüllt wurde die Forderung von Caritas und anderen Organisationen, die Wiener Kampierverordnung zu ändern, die das Auflegen und Benützen von Schlafsäcken abseits von Campingplätzen verbietet. Werden Sie in Wien in nächster Zeit lieber nicht arm.