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Des Kaisers neue Libelle

Des Kaisers neue Libelle.

Doris Knecht
über den Dachaufbau im Museumsquartier

Von einer "Libelle" sprachen vorgestern bei der Vorstellung des Projekts die zuständigen Politiker, andere sehen einen Knochen, aber eigentlich ist sich das Internet weitgehend einig: Das, was da auf dem Leopold Museum im MuseumsQuartier zu liegen kommen soll, sieht ein wenig wie ein Knochen aus, kaum wie eine Libelle und sehr wie ein grob umrissener Phallus. So in der Art, wie ihn Rotzbuben gerne per Edding auf WC-Wänden skizzieren.

Wenn man das im Netz heftig geteilte Foto des Modells in diesem speziellen Blickwinkel erstmals sieht, glaubt man an einen Scherz, aber es ist keiner. Der Aufbau soll tatsächlich genau diese spezielle Form erhalten: So haben es Ortner & Ortner beschlossen, die Architekten des MQ, die auch für dieses Projekt beauftragt wurden.

Was sie nun vorstellten, wirkt ein bisschen wie die Rache für den ursprünglich für das MuseumsQuartier zentral eingeplanten Leseturm, der bei der Errichtung u. a. von Anrainern verhindert worden war. Eine schmerzhafte Penektomie des Originalentwurfs, die die Architekten, diese Ferndiagnose lässt das Modell des neuen Anbaus durchaus zu, offenbar nie ganz verwunden haben.

Was damals erektil in die Höhe ragen sollte, legen sie Jahre später ganz nonchalant aufs Dach. Konsequent wäre es nun allerdings, wenn man auf der Südseite des Gebäudes auch noch ein Paar schöne Dutteln anbrächte, auch im Sinne der Gendergerechtigkeit.

Bei der Präsentation haben jedenfalls offenbar alle so getan, als sähen sie es nicht, aber es ist unwahrscheinlich, dass die Libellen-Potemkinese im Sinne der neuen Kleider des Kaisers auf Dauer zu halten sein wird. Und da die Libelle nachts beleuchtet sein soll, hat sie gute Chancen, zu einem neuen Wiener Wahr- und Erkennungszeichen zu werden, zumindest von oben. Oder.

Um Kippenbergers selig berühmten Hakenkreuz-Titel entsprechend zu variieren: Ich kann beim besten Willen kein Spatzl erkennen.

Eine Libelle. Ganz eindeutig.