Das Schatzi kommt nie zurück
Von Doris Knecht
Meine Oma bügelt alles, was ihr in die Finger kommt
über das Bügeln
Wenn die Oma kommt, bügelt sie. Sie bügelt alles, was ihr in die Finger kommt und dann holt sie die ungebügelte Bettwäsche aus dem Schrank und bügelt auch die. Am Anfang habe ich immer gesagt: Oma, du sollst nicht unsere Sachen bügeln! Dann ist die Oma auf dem Sofa gesessen, langweilte sich und fühlte sich unnütz. Jetzt ist der Oma nicht mehr fad und wir haben gebügelte Wäsche. Danke fürs Bügeln, Oma, sage ich.
Wenn die Oma alles gebügelt hat, sortiert sie die Socken. Wir haben viele große Socken in Schwarz, und wir haben noch viel mehr kleinere Socken in allen Farben und Mustern, die sich ungleichmäßig auf Haupt- und Nebenwohnsitz verteilen. Stundenlang sortiert die Oma, und jedes Mal bleiben ungefähr 15 Socken übrig, die schnürt sie mit dem 15. zusammen und früher warteten die dann jahrelang darauf, dass ihre Schatzis freiwillig zurückkommen. Taten sie nie.
Dann fiel eine Entscheidung und jetzt sage ich: Oma, du musst die Socken nicht sortieren. Denn es ist eigentlich eine bizarre Etikette, die uns verbietet, in verschiedenfarbiger Fußkleidung durch die Welt zu gehen, zumal ja noch Schuhe darüber sind. Nur Künstlern und anderen Exzentrikern wie David Hockney war das bisher erlaubt. Wieso umweht Kinder und Erwachsene ein Gout von Verwahrlosung, wenn sie verschiedene Socken tragen, selbst wenn diese völlig intakt sind? Dieser Purismus führt dazu, dass Jahr für Jahr tonnenweise einwandfreie Socken ausgemustert werden, nur weil sie Single sind.
„Socken sind mir gleich“, sagte Hockney kürzlich dem SZ-Magazin. Uns jetzt auch. Manchmal ist das Schicksal lustig und weist uns zwei gleiche zu. Meistens nicht. Das Leben ist einfacher jetzt. Die Oma sortiert trotzdem.