All die geliebten Toten
Von Doris Knecht
All die geliebten Toten: Sie sind unvergessen
über Verstorbene
An meinen Opa mütterlicherseits kann ich mich nicht gut erinnern. Weiße Haare hatte er, knorrig war er, große schwielige Hände hatte er, die die Hände seiner 23 Enkelinnen und Enkel schüttelte, wenn sie ihn besuchten. Er starb, als ich noch ein Kind war. Die Oma holte für uns Schartner-Bomben aus dem Keller und Stollwerk aus der Speis. Sie hatte dünnes, weißes Haar und ein warmes Lächeln. Sie starb kurz nachdem ich nach Wien ging.
Der andere Opa wohnte am Dachboden der anderen Oma. Er trank Bier und rauchte viele Falk. In seinem Dachzimmer roch es schal und nach Tabak. Er kam nur herunter, um etwas zu reparieren, hinüber ins Gasthaus zu gehen und zu allen Mahlzeiten, die er mit der Oma und dem Vetter Rudolf einnahm. Der Vetter Rudolf war eines der zwölf Geschwister meiner Oma. Er war als Kind auf einem Auge erblindet und hatte sich später das zweite beim Heuen mit der Heugabel ausgestochen. Er war ein sehr freundlicher, sehr genügsamer Mann, der sich freute, wenn wir Kinder sich mit ihm unterhielten. Ich ging manchmal mit ihm spazieren, und er kam mit uns in die Ferien, die wir in dem engen, alten Bergbauernhaus verbrachten, in dem er aufgewachsen war.
Dort saß er dann im Schatten oder am Kachelofen und rauchte Pfeife. Ich erinnere mich an ihn als einen sehr, sehr alten Greis. Er war 71, als er starb, zwei Jahre nach meinem Großvater. Meine Großmutter war eine tüchtige, gerade und schroffe Frau, sie flocht ihr dunkles Haar, das bis zu ihrem Tod lang, dick und beinahe frei von Grau war, zu einem großen Dutt. Sonntags gingen wir zu ihr zum Mittagessen; sie machte fabelhaftes Wildbret.
Die Tante Hedwig, die kinderlose Großtante, die immer bei uns bügelte, um Kinder um sich zu haben. Ihr Mann, der Onkel Heinrich, der nach ihrem Tod bei uns zu Mittag aß. Der Opa Sepp, den die Kinder schmerzlich vermissen, obwohl sie noch sehr klein waren, als er starb. Der Thomas, von dem sie noch das lustige pink-orange Plüschtier haben. All die geliebten Toten: Sie sind unvergessen.